KEINE EILE MIT NEUEM PARTNERSCHAFTSVERTRAG
Auf dem EU-Russland-Gipfel im sibirischen Chanty-Mansijsk wurde die Aufnahme neuer Verhandlungen über einen Partnerschaftsvertrag beschlossen(n-ost) – Die russischen Medien waren am Freitag mit Wundenlecken beschäftigt. Nach dem Fußball-Siegesrausch gegen die Niederlande kam das 0:3 im Spiel gegen Spanien wie eine kalte Dusche. Der EU-Russland-Gipfel im sibirischen Chanty-Mansijsk spielte da nur eine Nebenrolle. Die Kommentatoren hatten sichtlich Mühe, die Bedeutung der Zusammenarbeit mit der EU zu vermitteln, läuft doch aus russischer Sicht auch ohne einen neuen Nachbarschaftsvertrag mit der EU alles ganz gut. Dmitri Medwedew zeigte sich freundlich, aber bestimmt. Er erklärte, man wolle den Beziehungen zwischen Russland und der EU „neuen Schwung“ geben und „die bestehenden Probleme überwinden“. Der Kreml-Chef kritisierte aber – allerdings ohne Schärfe – die amerikanischen Raketen-Pläne in Europa und den Umgang mit der russischen Minderheit in den baltischen Staaten.Das zweitägige Treffen in der 2.700 Kilometer von Moskau entfernt gelegenen Region, in der ein Großteil des für den Export bestimmten russischen Öl und Gas gefördert wird, endete erwartungsgemäß mit einer gemeinsamen Erklärung über die Wiederaufnahme der Verhandlungen über einen neuen Partnerschaftsvertrag zwischen Russland und der EU. Der Kreml wollte den Gästen aus Europa, Javier Solana (EU-Sicherheitsbeauftragter), Janes Jansa (Premier Slowiens, das Land hat zur Zeit die Ratspräsidentschaft) und José Manuel Barroso (EU-Kommissionspräsident), eine sich stürmisch entwickelnde russische Provinz-Stadt zeigen. Die um diese Zeit grassierenden Mückenschwärme hatte man mit Chemikalien vertrieben. Die Verhandlungen über einen neuen Partnerschaftsvertrag sollen am 4. Juli in Brüssel beginnen. Der alte, 1994 in Kraft getretene Vertrag war Ende des vergangenen Jahres ausgelaufen. Bis der neue Vertrag in Kraft ist, gilt der alte weiter. In Moskau rechnet man mit Verhandlungen von mindestens einem Jahr. Dmitri Medwedew wünscht sich einen Vertrag mit „Rahmen-Charakter“ und ohne „überflüssige Details“. Die EU hofft dagegen, dass der neue Vertrag alle Teilbereiche von den Handelsbeziehungen, der Energiesicherheit, bis zum Rechtssystem und den Kulturbeziehungen umfasst. Moskau hat jedoch schon signalisiert, dass es sein Pipelinesystem nicht für westliche Investoren öffnen wird.Die EU wird in Russland zur Zeit nicht als besonders starker und attraktiver Partner wahrgenommen. Man befürchtet lange Abstimmungsprozesse innerhalb der EU und erwartet weitere Schwierigkeiten mit den neuen EU-Mitgliedern in Osteuropa. Die Verhandlungen über den neuen Vertrag waren durch Vetos von Polen und Litauen ausgesetzt worden. Polen reagierte mit seinem Veto auf ein russisches Embargo für Fleisch aus Polen, Litauen kritisierte, die lange Reparaturzeit für eine Öl-Pipeline. Russland sieht sich inzwischen in der Position des Stärkeren im Vergleich zur EU. Seine ersten drei Auslandsbesuche als neuer Präsident machte Dimtri Medwedew in China und Kasachstan. Danach kam er nach Berlin. Peking, Astana und Berlin sind für Moskau Partner mit klarem Profil. Die EU ist das nicht. Die Hoffnung, dass die Europäische Union ein Gegengewicht zum amerikanischen Einfluss in Europa bilden könne, hat Moskau aber noch nicht aufgegeben.„Europa befindet sich in einer Flaute“, schrieb der Direktor des Zentrums für Europa-Forschungen, Timofej Bordatschow, in seinem Kommentar für die „Wremja Nowostej“. Die Rolle der EU in der Weltwirtschaft gehe wegen des starken Euro zurück. Auch die Investitionen in Europa sinken und suchen sich „dynamischere und offenere Märkte“ wie China, Indien und die USA. „Wenn jemand einen neuen Vertrag braucht, dann die Europäische Union,“ so der russische Experte. Für Russland mache es keinen Sinn, sich mit der Ausarbeitung eines neuen Vertrages zu beeilen. Denn Russland habe den Gipfel seinen wirtschaftlichen und politischen Aufschwungs noch nicht erreicht, sei also in einer Position der Stärke.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0