FLÜSSIGGAS FÜR JAPAN
Tokio und Moskau streiten um die Südkurilen, aber die wirtschaftlichte Zusammenarbeit floriert(n-ost) – Wenn sich am Montag die Vertreter der G8-Staaten zu ihrem Gipfel auf der japanischen Insel Hokkaido treffen, wird es womöglich Ärger geben. Wie die russische Zeitung Iswestija berichtet, hat Japan hat auf dem offiziellen G8-Plakat die vier zwischen Russland und Japan umstrittenen Südkurilen-Inseln als japanisches Territorium markiert. Die Sowjetunion hatte die Inseln zum Ende des Zweiten Weltkrieges besetzt. So leben Russland und Japan seit 1945 ohne Friedensvertrag, was Moskau und Tokio jedoch nicht daran stört, fleißig Geschäfte zu machen. Besonders deutlich wird das auf der russischen Insel Sachalin, die zwischen dem russischen Festland und der Kurilen-Inselkette liegt und deren Südteil bis 1945 zu Japan gehörte. Auf Süd-Sachalin erhebt Japan im Gegensatz zu den Südkurilen keine Gebietsansprüche. Die Insel wurde bisher infrastrukturell vernachlässigt, erlebt aber zurzeit wegen der Öl- und Gas-Förderung vor der Küste einen wirtschaftlichen Aufschwung. Um die Insel in einen Transportkorridor zwischen Japan und Europa einzubinden, ersetzt die russische Staatsbahn RZD zurzeit die japanischen Schmalspur-Gleise in Süd-Sachalin durch die russische Breitspur. Der Gouverneur von Sachalin, Aleksandr Choroschawin, will 2015 mit Unterstützung privater Investoren mit dem Bau einer Brücke zum russischen Festland beginnen. Auch über eine Verbindung zwischen Sachalin und der japanischen Insel Hokkaido wird in der Gebietshauptstadt, Juschno-Sachalinsk, nachgedacht.
Blick auf die neue Flüssiggas-Fabrik in Sachalin
FOTO: Ulrich HeydenJapan will neben Südkorea und den USA im kommenden Jahr einer der Hauptabnehmer für Flüssig-Gas werden, das im Süden der Insel Sachalin produziert wird. Dort steht Russlands erste Gasverflüssigungsanlage, ein riesiger Komplex, der auch ein Ölterminal miteinschließt. Zur Verflüssigung wird dem Gas Wärme entzogen. Es wird auf Minus 162 Grad Celsius abgekühlt, wobei es sich verflüssigt und an Volumen verliert. Nach der Verschiffung wird es dann vom Empfänger wieder in seine ursprüngliche Form umgewandelt. Zurzeit wird die Anlage, die von Shell gebaut wurde, getestet.Ende dieses, Anfang nächsten Jahres sollen die ersten Tankschiffe von der integrierten Öl- und Gas-Anlage auslaufen. Mitte Juni wurde für die „Sakhalin II“, wie die integrierte Gas- und Öl-Anlage mit 800 Kilometern Pipline und drei Bohrinseln heißt, ein neuer Banken-Kredit in Höhe von 5,3 Milliarden Dollar bereitgestellt. Der Großteil der Summe – 3,7 Milliarden Dollar – kam von der Japanischen Bank für internationale Zusammenarbeit, der Rest von einem Bankenkonsortium japanischer und westeuropäischer Banken, deren Namen „Sakhalin Energy“, der Betreiber von „Sahkahlin II“, nicht nennen will. An „Sakhalin Energy“ sind neben Shell der russische Gasprom-Konzern und zwei japanische Unternehmen beteiligt. Auf Druck der russischen Regierung musste Shell im vergangenen Jahr Aktien an Gasprom verkaufen und verlor die Aktienmehrheit an den russischen Energie-Konzern. Eigentlich wollte Shell das „Sakhalin-II“-Projekt für zehn Milliarden Dollar bauen. Inzwischen sind die Kosten auf 22 Milliarden Dollar gestiegen. Damit ist „Sakhalin-II“ das größte internationale Investitionsprojekt in Russland. Bei dem Bauprojekt wurden zeitweise über 20.000 Mitarbeiter beschäftigt. Wenn die Fabrik fertig ist, sollen bis zu 2.400 Mitarbeiter zur festen Mannschaft gehören. Die Stadt Juschno-Sachalinsk erlebt dank des Öl- und Gasgeschäfts einen Aufschwung. Tagsüber schieben sich dicht an dicht japanische Jeeps über die engen Straßen. Russische Autos sind eine Seltenheit. Es gibt teure Hotels und Nachtclubs und nicht weit von der Stadt eine edle Villen-Siedlung sowie ein modernes Ski-Zentrum mit zwei Sprungschanzen. An das von dem Schriftsteller Anton Tschechow beschriebene Elend der Insel, auf der zu Zarenzeiten Verbannte Schwerstarbeit leisten mussten, erinnern nur noch die Fotografien im Tschechow-Museum. Für Russland bedeutet das Projekt „Sakhalin II“ den ersten Schritt in eine bisher unbekannte, aber strategisch wichtige Technologie. Für den Shell-Konzern ist das Projekt, so der holländische Manager Bert Christoffels, eine gute Möglichkeit „zu zeigen, dass Shell große integrierte Anlagen liefern kann“. Er hofft auf weitere Geschäfte. Russland plant auch für die Gasvorkommen im russischen Norden – in der Barentssee und auf der Jamal-Halbinsel – Flüssiggas-Anlagen. Für die Anlage auf der Jamal-Halbinsel ist Shell bereits im Gespräch.
Dmitri Lisitsyn von der „Ökologischen Wache Sachalin“.
FOTO: Ulrich HeydenDie Umweltorganisation „Ökologische Wache Sachalin“ kritisiert den Bau der Pipelines auf Sachalin. „Bei der Verlegung der Pipelines mussten über 1.000 Flüsse überqueren werden“, berichtet Dmitri Lisitsyn, Chef der Organisation. Dabei seien viele Fehler gemacht worden. Die Laichplätze der Lachse in den Flüssen seien durch das Aufwühlen des Flussbettes gefährdet. Zudem sei nicht ausgeschlossen, dass es bei der Pipeline zu Lecks kommt, denn 100 Kilometer der Energieader laufen durch bergiges Gelände, wo es es häufig Erdverschiebungen und Schlammlawinen gebe. Warnendes Beispiel ist für die Umweltschützer das staatliche Öl-Unternehmen „Rosneft“, das schon seit 80 Jahren Öl auf Sachalin fördert und sich nie um die Umwelt gekümmert hat. 1995 kam es bei der Stadt Neftegorsk im Norden von Sachalin zu einem Erdbeben. 2.000 der insgesamt 3.000 Einwohner starben. „Die Pipelines von Rosneft hatten damals 200 Lecks.“ Für die Insel war es eine Tragödie. Die Stadt Neftegorsk wurde nicht wieder aufgebaut. ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0