Polen

MITTELOSTEUROPA-MISSION FLIEGT NACH GEORGIEN

(n-ost) – Es sah aus wie eine diplomatische Reise in die Geschichte: Fünf Staats- und Regierungs-Chefs aus Mittelosteuropa sind am Dienstag nach Georgien geflogen. „Wir fliegen nach Georgien, um unsere Solidarität mit einem Land deutlich zu machen, das Opfer einer Aggression geworden ist“, sagte Polens Präsident Lech Kaczynski kurz vor seiner Abreise auf dem Flughafen in Warschau. Zusammen mit ihm stiegen der estnische Präsident Toomas Hendrik Ilves, der lettische Ministerpräsident Ivars Godmanis und der litauische Präsident Valdas Adamkus in die Regierungsmaschine. Das Quartett wurde eine Stunde später durch den ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko bereichert, der auf der Krim zustieg. In Georgien schloss sich der Präsident Lettlands, Valdis Zatlers, der Delegation an, der extra aus Peking gekommen war. Die Delegation, initiiert von Lech Kaczynski, will an der Vermittlung zwischen Russland und Georgien mitwirken. Doch die Teilnehmer machten klar, wo ihre Sympathie liegt – bei Georgien. Das sei verständlich, sagen Beobachter, wenn man überlegt, wie sich in der Geschichte die Beziehungen zwischen den mittelosteuropäischen Ländern und Russland bzw. der Sowjetunion gestaltet haben. Die gemeinsame Reise ist in der europäischen Geschichte bislang einmalig. Sie ist ein Resultat des derzeit im östlichen Europa dominierenden Misstrauens gegenüber Russland. Für einige osteuropäische Politiker, wie die polnischen Kaczynski-Brüder, ist dieses Gefühl zum bestimmenden Moment im politischen Programm geworden. Das Misstrauen gegenüber Moskau führte auf polnischer Seite beispielsweise zur politischen Ausrichtung in Richtung USA, die als militärischer Schutzschild gegen Russland gelten. Der russische Angriff auf Georgien beweise diese Argumentation einmal mehr, sagen polnische Beobachter.„Russland hat sein wahres Gesicht gezeigt. Wieder, was ich mit großem Bedauern sagen muss“, erklärte Kaczynski. „Europa muss etwas dagegen tun. Und das darf nicht nur mit politischen Erklärungen enden.“ Ansonsten könnte, nach Georgien, auch die Ukraine an die Reihe kommen. Für ihre scharfe Kritik haben  Polen und die Baltischen Staaten bereits drohende Worte aus Russland hören müssen. „Bei solchen Sachen muss man sehr vorsichtig sein. Denn man kann Fehler begehen, für die man lange bezahlen muss“, kommentierte der russische Botschafter in Lettland das Engagement der polnischen und baltischen Präsidenten.Der Konflikt in Georgien könnte unerwartete Folgen haben. In Polen selbst bekam Präsident Kaczynski für seine Reise sogar die Zustimmung seiner sonst oppositionell zu ihm eingestellten Regierung. Überraschenderweise wurde Kaczynski von Radoslaw Sikorski, dem Verteidigungsminister der Regierung von Donald Tusk, nach Georgien begleitet. Noch ein paar Stunden zuvor hatte Tusk die Idee von Kaczynski kritisiert. Er finde es zwar gut, dass Polen zusammen mit den baltischen Staaten eine klare Position zu dem Konflikt bezieht. Doch der polnische Regierungschef betont stets, es sei nicht im Interesse Polens, wenn die Spannungen in den Beziehungen zwischen Russland und der EU eskalierten. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy hatte Dienstagabend angekündigt, dass er sich in Tiflis mit Kaczynski und Juschtschenko treffen wolle. Politische Beobachter spekulieren schon jetzt über die möglichen weiteren Folgen des Konflikts für  Mittelosteuropa. Nach dem Ausbruch des Konflikts sei es zu einer Intensivierung der Verhandlungen zum Raketenschild zwischen Polen und den USA gekommen. Sie seien auf einem guten Weg, sagte Donald Tusk am Dienstag in Warschau. „Der Konflikt in Georgien zeigt, wie wichtig die Sicherheitsgarantien für den ehemaligen Ostblock sind.“. Am Montag führte der polnische Botschafter in Washington Gespräche im State Department zu diesem Thema, am Mittwoch kommt ein amerikanischer Vertreter nach Warschau. ENDE

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