Medwedew kopiert Putin
(n-ost) - Als Bundeskanzlerin Angela Merkel sich am 8. März in Moskau vom scheidenden Kreml-Chef Wladimir Putin verabschiedete, sagte dieser etwas, was erst heute wirklich Gewicht bekommt: Sein Nachfolger Dmitri Medwedew sei "frei zu beweisen, dass er liberale Ansichten hat", hatte Putin damals erklärt und hinzugefügt, mit Medwedew werde die Partnerschaft mit dem Westen nicht einfacher. Medwedew werde sich als ein "im guten Sinn" russischer Nationalist erweisen. Putin war sich hundertprozentig sicher, dass Medwedew in seine Fußstapfen treten würde.Der Krieg in Georgien zeigte nun, dass Medwedew, der mit Äußerungen über Rechtssicherheit, die Förderung des Mittelstands und den Kampf gegen die Korruption Hoffnungen auf ein liberales Tauwetter gefördert hatte, den selbstbewussten bis harten Kurs Putins gegenüber dem Westen fortführt. Medwedew, der Professoren-Sohn und Jurist aus St. Petersburg, hatte sich bisher durch sorgfältig gewählte Worte und eine zurückhaltende Köpersprache ausgezeichnet. Doch mit dem Krieg wurde alles anders.Bei einem Treffen mit Kriegsveteranen Anfang der Woche im zentralrussischen Kursk drohte Medwedew vor Veteranen des Zweiten Weltkrieges: "Falls jemand denkt, dass er unsere Bürger, Soldaten und Friedenssoldaten töten und dann ungestraft entkommen kann, so muss er wissen: Wir werden dies nie erlauben." Russland wolle "keine Verschlechterung der internationalen Beziehungen". Man wolle "respektiert werden". Falls jemand aber erneut versuche russische Bürger anzugreifen, werde man "eine vernichtende Antwort senden".Medwedews Ton gegenüber dem Westen ist schärfer geworden. Vor wenigen Tagen hatte Medwedew erklärt, es sei nötig den Frieden im Kaukasus zu garantieren, so dass "niemand mehr auf idiotische Ideen kommt." Vergangene Woche, bei einer Pressekonferenz mit dem französischen Präsidenten im Kreml, nannte Medwedew die Verantwortlichen für den Kriegsausbruch in Süd-Ossetien, gar "Bastarde" und "Rowdys".Der neue, harte Stil des Kreml-Chefs ist ihm nicht auf den Leib geschnitten, wie seinem Vorgänger, der sich schon als Jugendlicher in den Straßen von St. Petersburg mit der Faust Respekt verschaffte. Dennoch versucht Medwedew, seinen Ziehvater zu kopieren. Denn das Vorbild Putin verspricht Erfolg und Ansehen bei den Russen. Am vergangen Montag - also zehn Tage, nachdem Putin ein Flüchtlingslager in der kaukasischen Krisen-Region besucht hatte - machte sich Dmitri Medwedew in die Konfliktregion auf. Im nordossetischen Wladikawkas zeichnete er 23 Soldaten mit Orden aus und versprach 1,6 Mrd. Dollar bereitzustellen, um die Lebensbedingungen der russischen Soldaten zu verbessern.Schon als der Krieg in Südossetien begann, zeigte sich, dass die Fäden in Russland immer noch bei Wladimir Putin zusammenlaufen. Laut russischer Verfassung ist Dmitri Medwedew der Oberkommandierende der russischen Streitkräfte. Aber als in der Nacht vom 7. auf den 8. August die georgische Artillerie mit dem Angriff auf Zchinwali begann, schwieg der Oberkommandierende 15 Stunden lang. Als erster ergriff Putin das Wort. Am 8. August, um elf Uhr Moskauer Zeit, erklärte der Ex-Kreml-Chef von Peking aus, die Attacke Georgiens werde "eine Antwort auslösen".Um 13.10 Uhr teilte das russische Verteidigungsministerium mit: "Wir lassen nicht zu, dass unsere Friedensoldaten und Bürger der Russischen Föderation zu Schaden kommen." Erst um 15 Uhr, Zchinwali lag schon in Trümmern und die georgischen Soldaten hatten die Stadt besetzt, gab Medwedew seine erste Stellungnahme ab. Er drohte der georgischen Führung mit "Bestrafung".Daraufhin brachten die russischen Fernsehkanäle die Bilder von den russischen Panzerkolonnen, die sich Richtung Zchinwali in Bewegung setzten. "Warum hat Medwedew so lange geschwiegen?" fragte das Boulevard-Blatt "Moskowskij Komsomolez" und frotzelte: "Unsere weise Macht hat die Pässe mit dem Doppeladler an Südosseten und Abchasen gleich in ganzen Stapeln ausgegeben und lautstark versprochen, sie zu beschützen." Doch eine Antwort auf die Sprechpause des Kreml-Chefs hat die regierungstreue Presse in Moskau bisher nicht geliefert.Medwedew wird von den Russen an Putin gemessen, der das Land wieder groß gemacht und sich hemdsärmlig Respekt verschafft hat. Tschetschenischen Terroristen drohte Putin mit "Verfolgung bis aufs Klo". 1999 - während des zweiten Tschetschenien-Krieges - ließ sich der damalige Kreml-Chef im Kampfflugzeug nach Grosny fliegen.Russland ist stolz, dass es den Angriff auf Zchinwali abwehren konnte. Im Zuge solch patriotischer Begeisterung steigt zurzeit sogar das Ansehen der Osseten, die in Moskau bisher wie alle Kaukasier Diskriminierungen ausgesetzt sind. Meinungsumfragen zeigen, dass die russische Bevölkerung einen harten Kurs gegen Georgien befürwortet. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts VZIOM, sind 25 Prozent der Russen der Meinung, das Medwedew härter gegen Georgien hätte vorgehen müssen. 37 Prozent der Befragten unterstützen den vom Kreml-Chef eingeschlagenen Kurs.ENDE Nachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0