JOURNALISTENMORD IM KAUKASUS
(n-ost) - Zwei Jahre nach dem Mord an der Kreml-kritischen Journalistin Anna Politkowskaja ist in Russland wieder ein Journalist getötet worden. Der Herausgeber der Internetzeitung ingushetiya.ru, Magomed Jewlojew, starb durch eine Schussverletzung. Nach Darstellung der Polizei hatte Jewlojew nach seiner Verhaftung in Nasran, der Haupstadt Inguschetiens, versucht, den Polizisten eine Waffe zu entwenden, dabei habe sich ein Schuss gelöst. Jewlojew wurde in der Schläfe getroffen. Er starb in einem Krankenhaus. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung ein.Scharfer Protest kam von der Moskauer Menschenrechtsorganisation Memorial. Bei dem Tod von Jewlojew handele es sich um einen "abermaligen Akt von Staatsterror" und ein "demonstratives und zynisches Verbrechen". Nach dem "kleinen siegreichen Krieg" in Georgien "verzichte die Macht jetzt offensichtlich auf den Anschein von Rechtsstaatlichkeit im Verhältnis zu seinen Kritikern".In den russischen Kaukasus-Republiken Inguschetien, Dagestan und Kabardino-Balkarien kommt es häufig zu Übergriffen der Polizei auf Zivilisten, die wegen angeblicher Untergrundtätigkeit gegen den Staat verdächtigt werden. Alle paar Wochen nimmt die Polizei Widerstandsnester von bewaffneten Islamisten aus. Die Arbeitslosigkeit im Nordkaukasus ist hoch, die örtlichen Machthaber sind wegen der stark verbreiteten Korruption nicht angesehen.Die Website des Getöteten übte häufig scharfe Kritik an der Politik des Präsidenten Inguschetiens, Murat Sjasikow, eines ehemaligen Generals des russischen Geheimdienstes. Ein Moskauer Gericht hatte im Mai die Schließung der Website wegen "Extremismus" angeordnet. Die in den USA registrierte Website ist jedoch weiter zugänglich. Ingushetiya.ru hatte Sjasikow wegen Korruption, Polizeiwillkür und Einschüchterung der Opposition kritisiert.Chefredakteurin Rosa Malsagowa hatte bereits Asyl in Frankreich beantragt. Auch Jewlojew hielt sich in den letzten Monaten in Europa auf und wollte Inguschetien nur für einen Tag besuchen. Die Opposition in Inguschetien hatte in diesem Sommer 80.000 Unterschriften für den Rücktritt von Präsident Sjasikow gesammelt. In der von Moslems bewohnten russischen Teilrepublik Inguschetien leben eine halbe Million Menschen. Im Osten grenzt die Teilrepublik an Tschetschenien, im Westen an Nord-Ossetien und im Süden an Georgien.Die Verhaftung von Jewlojew verlief wie in einem Krimi. Der Herausgeber der Internet-Zeitung traf am Sonntag aus Moskau kommend in Nasran ein. Als die wartenden Angehörigen sahen, dass sich eine Spezialeinheit der Polizei in Jeeps und Autos vom Typ Wolga dem Flugzeug näherten, offenbar um Jewlojew zu verhaften, rannten die Angehörigen auf das Rollfeld, wurden aber von den Warnschüssen der Polizisten zurückgehalten. Der Wagen des Präsidenten von Inguschetien, der im gleichen Flugzeug wie Jewlojew saß, hatte das Rollfeld zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen. Die Sondereinheit mit dem Verhafteten verließ in Fahrzeugen den Flughafen. Die Angehörigen nahmen dann mit ihren Autos die Verfolgungsjagd auf, verloren aber die Spur. Später wurde der schwer verletzte Jewlojew in der Nähe des Krankenhauses von Nasran gefunden.Am Montag sollte die Beerdigung stattfinden. Nach einem Bericht von Radio "Echo Moskwy" wurde der Sarg Jewlojews auf einer Kundgebung der Opposition getragen. Die Demonstranten forderten die Aufklärung des Verbrechens. Freunde des Getöteten schwörten auf der Kundgebung öffentlich Blutrache.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0