Kiewer Koalition zerbricht am Georgien-Krieg
Die Regierungskoalition zwischen den westlich orientierten Parteien von Präsident Viktor Juschtschenko und Ministerpräsidentin Julia Timoschenko, "Unsere Ukraine" und "Block Julia Timoschenko", ist erneut zerfallen. Anlass ist der Georgien-Krieg. Während Präsident Juschtschenko klar Position für Georgien und einen baldigen Nato-Beitritt bezieht, fordert Ex-Premierminister Viktor Janukowitsch Neutralität. Der Block von Julia Timoschenko will Diskussionen über das Thema am liebsten vermeiden.
In der Koalition der beiden Politiker, die im Winter 2004 die Orangene Revolution in der Ukraine geführt hatten, war es bereits im September 2005 zum Bruch gekommen. Damals hatte Juschtschenko die machthungrige Timoschenko entlassen. Bis zum Ende des letzten Jahres war Viktor Janukowitsch, der Führer der in der russischsprachigen Ostukraine starken "Partei der Regionen", Ministerpräsident. Nach den Parlamentswahlen im September 2007 ging der Posten erneut an Timoschenko.
Der Ton zwischen Viktor Juschtschenko und Ministerpräsidentin Timoschenko war selten so scharf wie heute. Juschtschenko warf Timoschenko vor, sie bereite einen "politischen und verfassungtsrechtlichen Putsch" vor. Im Umfeld der Präsidialadministration beschuldigt man Timoschenko sogar, sie habe, um an die Macht zu kommen, einen Pakt mit Moskau geschlossen.Regierungschefin Julia Timoschenko konterte, der Präsident verhalte sich "unverantwortlich". Auf seine Anweisung sei die demokratische Koalition "zerstört" worden. Julia Timoschenkos Parlamentsfraktion hatte am Dienstag zusammen mit den Kommunisten, der Partei der Regionen und dem kleinen zentristischen Block Litwina für die Erleichterung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen den Präsidenten sowie die Übertragung von Amtsvollmachten vom Präsidenten auf den Ministerpräsidenten gestimmt. Für die Anträge stimmten bis zu 370 der insgesamt 450 Abgeordneten.
Präsident Juschtschenko, dessen Popularität deutlich geringer ist als die von Timoschenko und Janukowitsch, fährt einen klar pro-amerikanischen Kurs. Die Ukraine soll so schnell wie möglich Mitglied der Nato werden. Der Präsident warnt vor einer Einmischung Moskaus auf der vorwiegend von Russen bewohnten Krim. Timoschenko dagegen klammert die Frage der Nato aus. Wenn sie Präsidentin werden will, muss sie auf die Stimmung der russischensprachigen Bevölkerung im Süden und Osten der Ukraine Rücksicht nehmen. Die lehnt einen Nato-Beitritt bisher ab.
Der Eklat deutete sich bereits in der Parlamentsdebatte am Dienstag über den Georgien-Krieg an. Die Präsidenten-nahe Partei "Unsere Ukraine" plante, mit einer Debatte über den Georgien-Konflikt zu beginnen. Sie fordert noch vor Ablaufen des Vertrages mit Russland über die Stationierung der russischen Schwarzmeer-Flotte auf der Krim eine Neuverhandlung. Sie wollen unter anderem die Bewegungen der russischen Kriegsschiffe stärker kontrollieren. Doch in dieser Frage hält sich Timoschenko zurück. Die Abgeordneten vom Block Timoschenko wollten am Dienstag lieber über Wirtschaftsfragen sprechen.
Juschtschenkos ehemaliger Widersacher im Kampf um die Präsidentschaft Viktor Janukowitsch versucht indes zwischen Moskau und der EU zu lavieren. Er kritisierte Präsident Juschtschenko dafür, dass er sich im Georgien-Konflikt auf eine Seite geschlagen habe. Die Ukraine müsse neutral bleiben. Es dürfe nicht gelingen, "dass ukrainische und das russische Volk zu zerstreiten".
Am Mittwoch forderte Juschtschenko in einer Fernsehansprache nationaleGeschlossenheit. Dass "die demokratische Mehrheit" im Parlament es nicht geschafft habe, eine gemeinsame Position zu Georgien zu erarbeiten, sei eine "Erniedrigung des ukrainischen Volkes." Juschtschenko, der ein enger Freund des georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili ist, forderte Klarheit. Die Bürger müssten sehen, wo die "Linie staatlicher Politik" ist und wo "die Politik des Ausverkaufs, die Politik des Verrats, die Politik, welche die territoriale Integrität nicht berücksichtigt. "Wie es jetzt in Kiew weitergeht, ist unklar. Sprecher von Timoschenkos
Wahlblock erklärten, eine Koalition mit der Partei der Regionen käme nicht in Frage.