Handel mit Deutschland steigt um ein Viertel
Der deutsch-russische Handel entwickelt sich trotz der frostigen Wetterlage zwischen Russland und Europa weiterhin günstig. Das erklärte der Präsident der Deutsch-Russischen Außenhandelskammer (AHK), Heinrich Weiss. Er führte in Moskau Gespräche mit Vertretern der russischen Regierung und der russischen Wirtschaft. Trotz der derzeitigen politischen Spannungen zwischen Moskau und Europa ist die Prognose des AHK-Präsidenten für die Zukunft positiv. Der russische Geldmarkt verzeichnete in den letzten Wochen einen Abfluss von ausländischem Kapital, doch von einer Krise im deutsch-russischen Handel ist bisher nichts zu spüren. Nach Angaben von Weiss hat sich der Außenhandel zwischen Russland und Deutschland in den ersten Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr um 23 Prozent gesteigert. Die deutschen Exporte nach Russland haben bereits die gleiche Größenordnung wie die deutschen Exporte nach China. In den nächsten zwei Jahren rechne man laut Weiss damit, dass der deutsche Export nach Russland größer sein wird als der nach China.
Die deutschen Investitionen in Russland seien jedoch „noch nicht annähernd so bedeutend wie in China“. Dies liege an der von Großunternehmen bestimmten russischen Wirtschaftsstruktur, die „sich erst langsam im Sinne einer Marktwirtschaft normalisiert.“ In Gesprächen mit russischen Regierungsvertretern sei ihm aber immer wieder versichert worden, dass man das Investitionsklima in Russland verbessern werde, so Weiss. Staatliche Eingriffe in die Wirtschaft, wie es sie in den letzten Jahren in Russland gegeben hat, sind nach Meinung von Weiss eine Übergangserscheinung. Ziel der russischen Politik sei es, die Wirtschaft „weiter zu öffnen und zu liberalisieren.“ Das Sinken der russischen Wachstumsrate von acht auf fünf Prozent führt der AHK-Präsident auf den Rückgang überzogener Rohstoff-Preise auf dem Weltmarkt zurück.Die Gefahr der Produktpiraterie sei in Russland im Gegensatz zu China gering. „Die russische Wirtschaft ist noch nicht so technologie-orientiert“, sagte Weiss. Ein „Lerneifer wie in Asien“ sei in Russland „noch nicht zu sehen“.
Auch bestehe man in Russland bisher nicht auf der Produktion von deutschen Fertigprodukten im Land, so wie es in China üblich ist.Weiss, der auch Vorsitzender des Stahlhütten-Bauers „SMS Group“ ist, sagte, bei den derzeitigen Spannungen zwischen Moskau und Europa handele es sich keinesfalls um einen Kalten Krieg. Man müsse eher von einem „Disput“ zu sprechen, „wie beim Kosovo.“ Dass es keinen Kalten Krieg gebe, habe er auch bei seinen Gesprächen in Moskau gespürt. Die Wirtschaftsbeziehungen seien in politisch schwierigen Zeiten wie ein „Brücke“. Man müsse sie „pflegen“.
Das habe sich in den letzten 30 Jahren bewährt. Der AHK-Präsident erinnerte daran, dass Deutschland und die EU von Russland abhängiger sind als umgekehrt. „Wenn Sanktionen verhängt werden, finden die Russen auch andere Länder, die liefern können.“ In Asien gebe es zahlreiche Länder, die nur darauf warten „in die Lücke zu springen.“ Weiss verwies darauf, dass der Export ziviler Güter aus dem Westen in den Iran in den letzten Jahren „voll von den Chinesen ersetzt“ wurde. Der AHK-Präsident, der als Unternehmer Geschäfts-Erfahrungen in China hat, sprach über das Land der Mitte mit Enthusiasmus, erwartet in Russland aber keinen schnellen Durchbruch zu einer Marktwirtschaft westlicher Prägung.
Das hänge mit der Größe des Landes und den mangelnden Erfahrungen der Russen zusammen. China sei heute weiter, weil mit der Privatisierung schon 1979 begonnen wurde. Und damals habe es noch Chinesen gegeben, welche „den freien Handel“ kannten. Mit russischen Großunternehmern komme er leicht ins Gespräch, so Weiss. Die russischen Milliardäre hätten sich „eine deutsch-freundliche Seele bewahrt.“ Oft habe man den Eindruck, sie seien zu einem „Geschäft per Handschlag“ bereit, wenn da nicht die Bürokratie in Russland wäre. Die bremse viele Investitionen.
Als Investitions-Hürde bezeichnete der AHK-Präsident auch den Mangel an gewerblichen jungen Fachkräften und die mangelnde Qualität russischer Zulieferprodukte. Selbst beim Einkauf von Schrauben mit ausreichender Qualität gebe es in Russland Probleme. Weil die Fachkräfte-Ausbildung oft nicht mit den Erfordernissen moderner Entwicklungen Schritt halte, werde unter deutschen Unternehmern diskutiert, sich an der Modernisierung der Berufsausbildung in Russland zu beteiligen und russische Lehrlinge nach Deutschland in die Lehre zu schicken.