Russland

DAS NEUE LIEBLINGSKIND VON ABRAMOWITSCH

(n-ost) - Russlands Reiche haben mondäne Ski-Orte und teure Villen offenbar über. Jetzt entdecken sie ihre Liebe für alte Industrie-Hallen. In Moskau wurde in der vergangenen Woche in einem umgebauten ehemaligen Autobus-Depot eine Ausstellungshalle für moderne Kunst mit dem Namen "Garasch" eröffnet. Soviel Understatement hat man bei Russlands Reichen und Schönen noch nie erlebt. Die Eröffnung symbolisiert einen neuen Trend: Russlands Öl-Barone finden Gefallen an moderner Kunst.Die erste Ausstellung in der "Garasch" ist eine Retrospektive des Künstler-Ehepaars Ilja und Emilia Kabakow. Kabakow gehörte früher zu den sowjetischen Künstler-Dissidenten. Er emigrierte 1988 nach New York, wo er mit seiner Frau Emilia lebt und arbeitet. Der ehemalige Kinderbuch-Illustrator und Konzeptualist ist durch seine Werke, in denen er sich über den sowjetischen Alltag hermacht, weltberühmt.Endlich hat Moskau eine Ausstellungshalle für moderne Kunst. Die "Garasch" ist doppelt so groß wie die Manege-Halle vor dem Kreml. Foto: Ulrich HeydenDoch die Aufmerksamkeit der Vernissage-Besucher galt nicht dem Künstler mit dem schlohweißen Haar, sondern Darja Schukowa (26), der neuen Freundin von Roman Abramowitsch, Russlands reichstem Mann. Denn die Liaison Roman-Darja wurde heiß in der Öffentlichkeit diskutiert, nicht nur wegen des Altersunterschieds. Als sich Roman im vergangenen Jahr von seiner Frau Irina, mit der er fünf Kinder hat, scheiden ließ, kursierten Gerüchte darüber, ob die ehemalige Stewardess die Hälfte von Romans Vermögen bekommt. Sein Reichtum wird auf 24 Milliarden Dollar geschätzt. Doch dann wurde bekannt, dass Roman seine Irina mit 300 Millionen Dollar abfand.Während Darja, auch Dascha genannt, im Kleinen Schwarzen zur Ausstellungseröffnung auf dem Podium sprach - ihren schlanken Hals schmückte ein weißer Kragen, sie saß streng wie eine Klosterschülerin -- hatte sich ihr 15 Jahre älterer Freund freundlich lächelnd unter das Publikum gemischt. Abramowitsch, dem neben dem Fußballclub Chelsea drei Yachten und eine zweistrahlige Boeing gehören zeigt sich nur selten in der Öffentlichkeit.Dascha war offenbar der Grund für die Scheidung. Die junge Studentin, die in London Homöopathie studierte, lernte Roman Abramowitsch, den Milliardär mit dem Jungengesicht bereits 2005 nach einem Chelsea-Spiel in Barcelona kennen. Ihr Vater, Aleksandr Schukow, der an der Moskauer Uni studierte, lebt in England und ist im Öl- und Bankgeschäft tätig. Dascha verdient indes ihr eigenes Geld. Zusammen mit einer Freundin kreierte sie die Mode-Marke Kova&T, die nach Berichten der Moskauer Klatsch-Presse gut laufen soll. Nun betreibt ihre Stiftung die neue Halle, die eine der größten Ausstellungsflächen weltweit hat.Die Kabakow-Retrospektive findet in Moskau an drei Orten statt: in der "Garasch", einem Gebäude, das 1927 von dem Architekten Konstantin Melnikow gebaut wurde, der "Weinfabrik" am Kursker Bahnhof und dem altehrwürdigen Puschkin-Museum. Daschas Faible für das Schöne und die Kunst hat inzwischen auch auf Roman abgefärbt. Britische Zeitungen berichteten, Romans neue Flamme habe den Milliardär beim Kauf von zwei Gemälden, die zusammen 77 Millionen Euro kosteten, beraten. Im Mai ersteigerte Abramowitsch Francis Bacons Gemälde "Triptych, 1976" und Lucian Freuds Aktgemälde "Benefits Supervisor Sleeping".Vor dem Roten Waggon, einer berühmten Kabakow-Installation - liegt der Müll. Im Waggon beginnt die Traumwelt. Foto: Ulrich HeydenWie alles, was die Neuen Russen anpacken, ist auch das Projekt "Garasch" riesig. Das ehemalige Autobus-Depot hat 8.500 Quadratmeter und ist damit die größte Ausstellungshalle Moskaus. Damit hat die moderne Kunst, die sich bisher in kleine Galerien verdrücken musste, in der Stadt einen Raum, der sich vom Ambiente und den Möglichkeiten mit westlichen Museen messen kann. Der Eintritt in den Riesen-Saal ist kostenlos. Trotzdem tröpfelt der Besucher-Strom nur spärlich. Es scheint, als können die Moskauer mit ihren Dissidenten immer noch nicht so recht etwas anfangen.Im "Roten Waggon" lässt der Konzept-Künstler Kabakow die Träume aus der Sowjet-Zeit wieder aufleben. Foto: Ulrich HeydenDer in der Ukraine geborene Kabakow gehörte zu Sowjetzeiten zum sowjetischen Künstler-Underground. Seine Dachgeschoss-Wohnung im Zentrum von Moskau wurde zum Treffpunkt der Künstler-Szene. In der "Garasch" sind großformatige Bilder zu sehen, die im Westen entstanden. Kabakow entfremdet Motive, die man in der Stalin-Zeit auf sowjetischen Monumental-Gemälden sah, Menschen auf der Arbeit, Ausflugsdampfer und Erntearbeiten. Kabakow schlüpft in der "Garasch" in drei Rollen: Es werden Bilder von ihm -- dem Desillusionierten -- und von den Künstlern Charl Rosental und Igor Spiwak gezeigt. Rosental, der an die sowjetische Utopie glaubt, und Spivak, ein Sowjet-Nostalgiker, sind in Wirklichkeit Kabakow selbst.Die "Garasch" soll in Zukunft als Ausstellungshalle für moderne Kunst dienen. Außerdem soll in der Riesen-Halle, welche von der jüdischen Gemeinde von Moskau verpachtet wurde, ein "Museum der Toleranz" eröffnet werden. Vorsitzender und wichtigster Sponsor der jüdischen Gemeinde in Moskau ist Roman Abramowitsch.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0


Weitere Artikel