DER TOD KAM NACH DEM ABPFIFF
Nach dem Tod von Russlands Nachwuchs-Hoffnung im Eishockey Aleksej Tscherepanow wird wegen Doping-Verdachts ermittelt.(n-ost) – Ganz Russland trauert. Weder eine Adrenalin-Spritze noch Herzmassagen halfen. Aleksej Tscherepanow, Russlands Eishockey-Hoffnung aus Omsk starb am Montag nach einem Auswärtsspiels gegen „Witjas“ in Tschechow, 60 Kilometer südlich von Moskau. Drei Minuten vor dem Schlusspfiff sackte der 19jährige Aleksej auf der Ersatzspielerbank plötzlich ohnmächtig zusammen. Die offizielle Todesursache lautet Herzschwäche.Aleksej Cherepanov. Foto: avantgard 2008Die Rettungsmaßnahmen gestalteten sich dramatisch. Ein Notarztwagen traf erst nach 20 Minuten ein. Der installierte Defibrillator zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen wurde nicht benutzt, möglicherweise war er defekt. Im Krankenhaus bemühten sich die Ärzte noch über eine Stunde, Tscherepanow wieder zu beleben, doch vergeblich. Eine Ärztin sagte gegenüber dem Fernsehkanal RTR, Tscherepanow sei bereits klinisch tot eingeliefert worden. Wenn ein Rettungswagen während des Spiels vor Ort gewesen wäre, dann hätte man Aleksej womöglich retten können, so die Meinung der russischen Kommentatoren.Inzwischen gibt es Zweifel an der offiziellen Todesursache. Das Untersuchungskomitee der Staatsanwaltschaft teilte mit, dass man wegen Doping-Verdachts ermittele. Außerdem werde man untersuchen, ob schon früher „verbotene Mittel“ benutzt worden waren.Über die Todesursache wird in Russland jetzt heftig gestritten. Die Obduktion ergab Seltsames: Das Herz des Toten wog statt 290 Gramm, wie es die Norm für einen Mann dieses Alters ist, 495 Gramm. Merkwürdig auch, wie ein Spieler mit einer Herzschwäche das Angebot bekommt, in der NHL zu spielen. Vor zwei Jahren war Tscherepanow zu Gast bei den New York Rangers gewesen. Dort hatte man ihn gründlich untersucht. Der Club hatte ein Auge auf den jungen Nachwuchs-spieler aus Sibirien geworfen. Zum Ende der Saison sollte Aleksej zu den Rangers wechseln.Der Gesundheitsminister des Moskauer Gebiets, Wladimir Semjonow, beschuldigt den Club Avantgard, man habe einen „kranken Menschen“ ins Spiel geschickt. Das Herz von Tscherepanow sei dreimal größer als normal, die Milz sogar fünfmal größer. Der Manager von Avantgard, Anatoli Bardin, sagte, die Beschuldigungen seien „Unsinn“, und drohte mit einer Anzeige gegen den Gesundheitsminister. Tscherepanow sei am 1. Juli gründlich untersucht worden und habe nie über gesundheitliche Probleme geklagt. Der Direktor der Kontinentalen Hockey-Liga, Wladimir Schalajew, unterstützt dagegen die Vorwürfe des Gesundheitsministers und erklärte, man hätte Tscherepanow nicht spielen lassen dürfen, sondern ihn „als Schwerbehinderten einstufen müssen.“Tscherepanow kam aus dem kleinen Dörfchen Oserki im sibirischen Altai-Gebiet. Sein Vater war Eishockey- und Fußball-Trainer. Als Aleksej drei Jahre alt war, stand er das erste Mal auf Kufen. Mit Zehn hatte er keine Zeit mehr, mit anderen Kindern zu spielen. Von nun an war der Puck das Wichtigste in seinem Leben. Mit 12 Jahren wurde er von seinem Club Avantgrad Omsk entdeckt. Für den Verein schoss er in 106 Spielen 40 Tore und machte 29 Vorlagen. Aleksej war bescheiden. Zu der Möglichkeit in der NHL zu spielen, sagte er in einem Interview: „Natürlich würde ich gerne in der besten Liga der Welt spielen, aber ich fahre dort nur hin, wenn ich weiß, dass ich es wirklich kann.“Am Mittwoch nahmen Tausende im Eisstation von Omsk von dem jungen Nachwuchs-Star Abschied. Eine mit weißen Blumen bedeckte Limousine brachte den Sarg vom Flughafen zur Trauerzeremonie. Trainer, Spieler und Angehörige konnten die Tränen nicht zurückhalten. Die Mutter des Toten weinte laut. Am Grab sprach dann der Gouverneur von Omsk und Vorsitzende des Aufsichtsrates Clubs Avantgard, Leonid Poleschajow. Er erklärte, Aleksej werde in Omsk von allen geliebt. Mannschaftskapitän Aleksandr Switow erklärte, die Nummer 7, unter der Aleksej spielte, werde für die Mannschaft „immer heilig bleiben“. Niemand werde unter dieser Nummer mehr spielen.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0