Was steckt hinter Medwedews Raketen-Drohung?
Moskaus Ankündigung, in Kaliningrad Iskander-Raketen zu stationieren, erinnert an den Kalten Krieg.
Mit seiner Ankündigung, in Kaliningrad Iskander-Raketen aufzustellen, hat der russische Präsident Dmitri Medwedew im Westen Entsetzen ausgelöst, in Russland hat die Ankündigung jedoch fast Niemanden verwundert. Raketen gegen Raketen, eine andere Sprache verstünden die USA nun mal nicht, suggerieren die Kreml-Medien.Moskau will nun offenbar wissen, woran es bei dem neuen US-Präsidenten ist – je eher, desto besser. Mit der Ankündigung will Moskau die USA zur Reaktion zwingen. Die USA sollen den Raketen-Schirm in Polen und Tschechien zurücknehmen und ihre Eindämmungspolitik gegenüber Russland beenden, so die Botschaft aus Moskau. Medwedew machte den ersten Zug – Obama müsse jetzt reagieren, so das Kalkül. Das ist aus Moskauer Sicht besser als umgekehrt. Es ist ein Power-Play. Parallelen zum Kalten Krieg sind unübersehbar. Russland fühlt sich vom Westen schon lange nicht ernst genommen. Die Kritik Russlands an dem geplanten US-Raketenschirm und der Ausweitung der Nato um immer neue Mitglieder im Osten hat Europa zwar gehört, aber daraus keine Konsequenzen gezogen.Nach der Verkündung der „harten Position“ müsse man an die neue US-Administration nun eine „versöhnende Geste“ senden, rät Kreml-Berater Sergej Markow. Er hofft, dass mit Obama „eine positivere Tagesordnung“ möglich ist. Doch stärker als die Hoffnung ist die Skepsis des Kreml-Beraters. Washington müsse – so Markow – „von der verrückten Idee“ abrücken, den Einfluss Russlands auf das Territorium innerhalb der russischen Grenzen zu beschränken. Russland sei nun mal eine Weltmacht und wolle um sich herum „befreundete“ und keine „feindlichen“ Länder. Dass Russland eine Weltmacht sein will, lässt sich in dem Glückwunschtelegramm von Medwedew an Obama nachlesen. „Die russisch-amerikanischen Beziehungen gelten traditionell als Faktor der Stabilität in der Welt. Sie haben eine große Bedeutung und manchmal eine Schlüsselrolle bei der Lösung vieler internationaler und regionaler Probleme.“ Ein Amerika-Hasser will Präsident Medwedew offenbar nicht sein: Man habe „kein Probleme mit dem amerikanischen Volk, wir haben keinen angeborenen Anti-Amerikanismus“, erklärte der russische Präsident in seiner Jahresbotschaft, die er ausgerechnet am Tag nach der US-Wahl vor den beiden Kammern des russischen Parlaments hielt.Trotz anderslautender Bekenntnisse von Kreml-nahen Politologen fürchtet Moskau die US-Demokraten offenbar mehr als die Republikaner. Obama könnte den Kreml mit „soft power“ in unangenehme Situationen bringen – solch ein Szenarium schwant dem Kommentator der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti, Dmitri Kosyrew. Wenn Obama von Russland fordere, die Anerkennung von Abchasien und Südossetien zurückzunehmen und im Gegenzug „irgendwelche Zugeständnisse“ anbiete, werde „ganz Europa“ nach Moskau gucken. Moskau sei jedenfalls nicht bereit dazu, „Europas Liebling“ Obama Zugeständnisse zu machen. In der Hardliner-Position fühlt Moskau sich offenbar sicherer. Nettigkeiten gegenüber Obama könnten als Zurückweichen verstanden werden, so die weit verbreitete Meinung in Russland. Für Hardliner Dmitri Rogosin, Russlands Vertreter bei der Nato, gibt es zwischen Obama und McCain im Grunde keinen Unterschied. „Das ist für mich wie ein Taifun und ein Hurrikan,“ sagt Rogosin. Wahlen in den USA – das sei wie „schlechtes Wetter“. In der letzten Zeit gebe es „immer schlechtes Wetter. Deshalb ist es für uns das Wichtigste, zu lernen, wie man sich richtig anzieht.“Der einzige Unterschied zwischen den beiden Ex-Kandidaten für das Präsidentschaftsamt in Moskauer Sicht: Obama hält man für wenig berechenbar, McCain dagegen schon. Alexander Konowalow, Leiter des Instituts für strategische Studien, sagte es vor den US-Wahlen: „McCain hat zwar keine besondere Symphatie für Russland, aber er bedeutet Vorhersagbarkeit und Stabilität.“ Mit dem Demokraten John F. Kennedy – erinnert der Experte – sei es „zur Kuba-Krise gekommen“ (die russischen Raketen auf Kuba erwähnte Konowalow nicht). Mit dem republikanischen Hardliner Richard Nixon hingegen habe man die ersten Verträge zur strategischen Abrüstung unterschrieben.
ENDE
Nachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 – 0