Russland

Kehrt Putin an die Macht zurück?

Spekulationen über die Rückkehr von Putin in das Präsidentenamt finden mit Medwedews Vorschlag zur Verfassungsänderung neue Nahrung.

Putin will zurück an die Macht. Diese Vermutung wurde schon vor den russischen Präsidentschaftswahlen im Frühjahr von Kreml-kritischen Medien diskutiert. Medwedew sei nur ein Übergangskandidat. Mit der Ankündigung einer Verfassungsänderung hat Präsident Medwedew diesen Spekulationen nun neue Nahrung gegeben. In seiner Jahresbotschaft, die Medwedew am Mittwoch  vor den beiden Kammern des russischen Parlaments hielt, schlug der Präsident vor, die Legislaturperiode der Duma von vier auf fünf und die Amtszeit des Präsidenten von vier auf sechs Jahre zu verlängern. Außerdem soll die Regierung einmal im Jahr vor der Duma Rechenschaft ablegen. Die nächsten Präsidentschaftswahlen fänden regulär 2012 statt. Die Wirtschaftszeitung „Wedomosti“, die zusammen mit dem „Wall Street Journal“ herausgegeben wird, berichtete nun unter der Schlagzeile „Sechs Jahre für Putin“ unter Berufung auf namentlich nicht genannte Informanten im Kreml, von einem angeblich schon 2007 entwickelten Geheimplan des Kreml-Chef-Ideologen Wladislaw Surkow. Danach soll Medwedew im nächsten Jahr sein Amt niederlegen und Putin über vorgezogene Präsidentschaftswahlen „für längere Zeit“ an die Macht zurückkehren. Dem amtierenden Präsidenten, Dmitri Medwedew, komme jetzt die Aufgabe zu, Verfassungsänderungen und unpopuläre Sozial-Reformen durchzuführen. Die Spekulationen des Blattes sind gewagt. Warum sollte der Kreml, gerade in der Zeit der Finanzkrise, wo es auf Stabilität ankommt, einen Machtwechsel organisieren? Zwischen Putin und Medwedew gibt es keinen Streit. Beide treten nach wir vor als Tandem auf. Einen zwingenden Grund für einen Machtwechsel im Kreml nennt „Wedomosti“ nicht. Der Kreml-kritische Politologe Stanislaw Belkowski, der das Institut für nationale Studien leitet, glaubt nicht an eine vorzeitige Rückkehr Putins. Mit seinem starken Auftritt vor den Parlamentskammern am Mittwoch habe Medwedew seine eigene Rolle im Staat gestärkt, glaubt der Politologe. Medwedew habe mit seiner Jahresbotschaft ein Zeichen gesetzt, „dass es nur einen Führer gibt“, nämlich Medwedew, erklärte Belkowski gegenüber dem Boulevardblatt „Moskowski Komsomolez“. Nachdem Putin die Macht acht Jahre zentralisiert habe, wolle Medwedew jetzt wieder die Rolle der regionalen Eliten stärken.Medwedew hatte in seiner Jahresbotschaft am Mittwoch nicht nur die Aufstellung von Iskander-Raketen in Kaliningrad, sondern auch eine Reihe von inneren Reformen angekündigt, die zu mehr öffentlicher Kontrolle der Staatsmacht führen sollen. Der russische Präsident hatte die Zentralisierung in Russland überraschend scharf kritisiert. „Der Staatsapparat bei uns, das ist der größte Arbeitgeber, der aktivste Verleger, der beste Producer, er ist sein eigenes Gericht, seine eigene Partei und schließlich sein eigenes Volk.“ Dieser Zustand sei „nicht effektiv“ und führe unweigerlich zur Korruption.Außerdem hatte Medwedew verschiedene demokratische Reformen angekündigt. Die Gouverneure in den Regionen sollen in Zukunft von den Parteien vorgeschlagen werden, die die Mehrheit in den Regionalparlamenten haben. Außerdem forderte Medwedew ein Rotationsprinzip für die Parteiführungen und eine Aufweichung der Sieben-Prozent-Hürde. Die Parteien, die zwischen fünf und sieben Prozent der Stimmen erhalten, sollen in Zukunft mit einem Abgeordneten im Parlament vertreten sein.Nach Meinung der Zeitung „Wedomosti“ sieht jedoch alles ganz anders aus. Die Wahlkampagne von Putin habe bereits begonnen. Der Ministerpräsident habe seit ein paar Tagen eine neue Website. Und am 20. November werde Putin auf dem Kongress seiner Partei Einiges Russlands als Vorsitzender eine programmatische Rede halten. Dann werde der Premier über das Internet und die Parteibüros in den russischen Städten direkt mit dem Volk in Kontakt treten – ein Schritt, den Medwedew angeblich bisher gescheut habe. Auffällig sei „Wedomosti“ zufolge außerdem, dass Putin nach einer Untersuchung in den Medien inzwischen so häufig erwähnt wird wie Medwedew.ENDE


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