Russland

Gaspreise im Vergleich

Ein Vergleich der Gaspreise in Osteuropa zeigt: Gazprom kassiert seine Abnehmer höchst unterschiedlich ab

(n-ost) - Im Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine verweist Moskau gerne darauf, dass es der Ukraine bislang einen sehr günstigen Gaspreis gewährt hat. Er lag etwa bei der Hälfte der von westeuropäischen Ländern geforderten Preise. Die Ukraine ist indes bereit, Weltmarktpreise zu zahlen – „nur nicht jetzt“, wie Bohdan Sokolovskyi, Berater des ukrainischen Präsidenten in Energiefragen, sagte. Ein Vergleich der Gaspreise, die einige andere osteuropäische Länder an den russischen halbstaatlichen Energiekonzern Gazprom zahlen, zeigt: Die Preisgestaltung ist ein Politikum. Und: Einen von Russland so genannten „Weltmarktpreis“ gibt es gar nicht.
BALTIKUM INSGESAMTGenerell lässt sich für Estland, Lettland und Litauen sagen, dass die Abhängigkeit von Russland bei Gaslieferungen bei fast 100 Prozent liegt. Die Preise für das Gas sind in den letzten Jahren wiederholt deutlich angehoben worden. Das Problem Preissschraube ist im Baltikum also bekannt. Man ist auf westlichem Niveau angekommen und wird ohne Sonderkonditionen genauso wie die übrigen EU-Staaten  behandelt. Estland, Lettland und Litauen waren schließlich nie Mitglieder in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) und haben schon früh die politischen Bindungen nach Moskau gekappt.
Die Ängste gehen derzeit aber vor allem dahin, dass Russland bei politischem Ärger die Pipelines einfach abstellen könnte. Einen vollständigen Lieferstopp für Gas hat es bislang nicht gegeben. Wohl aber sind verschiedene Ölpipelines zeitweise gekappt worden – da wurde beispielsweise auf russischer Seite Reparaturbedarf angemeldet. Man unterstellt also Russland, im Zweifelsfall durchaus dazu bereit zu sein, die Gasversorgung einzustellen.
Deshalb ist auch der Ärger über den Bau der Ostsee-Pipeline so hoch: Dadurch wird nämlich für russisches Gas eine Umgehung in Richtung Westeuropa geschaffen und die baltischen Länder befürchten, noch abhängiger von Russland zu werden.
Umstritten ist auch die Frage, ob man künftig verstärkt Gaskraftwerke bauen soll – vor allem in Lettland und in Litauen gibt es solche Pläne. Das Atomkraftwerk Ignalina in Litauen muss bis Jahresende vom Netz, dann ist Litauen endgültig von russischem Gas abhängig.
In allen drei baltischen Ländern herrschen ähnliche Besitzstrukturen, d.h. E.ON Ruhrgas und Gazprom kontrollieren die großen Gasunternehmen.ESTLAND:
In Estland wird die Versorgung von dem Unternehmen "Eesti Gaas" übernommen (www.gaas.ee), an dem die russische Gazprom zu 37% beteiligt ist, 34% gehören der deutschen E.ON Ruhrgas, 18% der finnischen Fortum. Gazprom sitzt hier also ohnehin bereits mit am Tisch, hat aber keine absolute Kontrollmehrheit.
Seit dem 1. Oktober 2008 gelten neue Tarife, die nach Verbrauch gestaffelt sind:
Bis 200 m³ kostet der Kubikmeter 7,83 EEK (0,50 EUR), zwischen 200 und 750 m³ sind es 5,76 EEK (0,37 EUR), über 750 m³ 5,02 EEK (0,32 EUR), hinzu kommen allerdings noch Kosten für die Netznutzung etc. sowie Verbrauchssteuern. Die Endpreise liegen damit bei 0,59 EUR bzw. 0,43 EUR und 0,38 EUR.LETTLAND:
Zuständiges Unternehmen ist "Latvijas Gāze" (www.lg.lv). Hier gab es erst zum 1. Januar eine Preiserhöhung: Bei einem Verbrauch bis 500 m³ liegt der Preis (inklusive Steuern) bei 0,53 LVL (0,76 EUR), bei 500-25.000 m³ bei 0,35 LVL (0,49 EUR).
Das Unternehmen gehört zu 47% E.ON Ruhrgas, zu 34% Gazprom und zu 16% Itera Latvija. Damit gibt es im Grunde eine ähnliche Situation wie in Estland, die unterschiedlichen Preise erklären sich auch durch die höheren Steuern in Lettland.LITAUEN:
In Litauen ist das Gasunternehmen "Lietuvos dujos" (www.dujos.lt). Auch hier gab es mit Wirkung zum 1. Januar eine (überaus saftige) Preiserhöhung. Bei einem Jahresverbrauch unter 800 m³ fallen 2,24 LTL (0,65 EUR) an, darüber sind es 1,62 LTL (0,47 EUR).
Die größten Aktionäre sind E.ON Ruhrgas (38,9%), Gazprom (37,1%) und der litauische Staat (17,7%).
POLENPolen zahlt an Gazprom nach Angaben des staatlichen Gasmonopolisten PGNiG „europäische Preise“, die das Unternehmen nicht exakt benennen möchte, die jedoch über 400 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter liegen. Die Preise seien in den letzten Jahren deutlich gestiegen, sagte ein Sprecher auf Anfrage.
Es gibt keine bevorzugten Preise von Gazprom für Polen, das Land hatte im ersten Quartal 2006 nach Angaben von Andrzej Lipko, dem ehemaligen Chef von PGNiG, mit 550 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter Gas sogar mehr als etwa Deutschland mit damals 500 US-Dollar bezahlen müssen. Laut Lipko werde der Erdgasbedarf von polnischen Haushalten mit heimischer Erdgasförderung sichergestellt. In diesem Jahr stehen neue Verhandlungen der PGNiG mit Gazprom über Gaslieferungen ab Januar 2010 an.
Der Gas-Monopolist PGNiG wandte sich in dieser Woche an seine Industrie-Kunden mit der Bitte, den Bezug von Erdgas aufgrund der Lieferengpässe zu reduzieren. Durch Polen führt die Jamal-Pipeline. Das Land bezieht jedoch auch an der polnisch-ukrainischen Grenze Gas aus Russland – durch diese Übergabeleitung fließen jedoch momentan nur 15 Prozent der sonst üblichen Menge, so die PGNiG.
KAUKASUSARMENIEN zahlt derzeit 110 US-Dollar pro Tausend Kubikmeter an Gazprom, ab 01. April 2009 ist eine Erhöhung auf 154 US-Dollar geplant.
GEORGIEN zahlt über einen privaten georgischen Energiekonzern 280 US-Dollar pro Tausend Kubikmeter an Gazprom. Den größten Teil des Gases bekommt Georgien jedoch für 200 US-Dollar aus Aserbaidschan.
ASERBAIDSCHAN verwendet seit 2007 ausschließlich eigenes Gas.Bis 2007 bekamen Georgien und Aserbaidschan ihr Gas ausschließlich vom Gazprom. Ab 2007 wollte Gazprom den Preis für diese Länder erneut erhöhen. Aus diesem Grund entschloss sich Aserbaidschan, kein Gas mehr vom Gazprom zu kaufen und die Förderung eigenen Gases aus dem Kaspischen Meer zu beschleunigen. Seit 2007 verwendet Aserbaidschan nur eigenes Gas und sichert zugleich den größten Teil des Gasbedarfs von Georgien mit ab. Nach den jüngsten Vereinbarungen zwischen Baku und Tiflis soll Aserbaidschan bald der einzige Gaslieferant für Georgien werden.
Für Armenien als den strategischen Partner und engsten Verbündeten Russlands in der Region verkaufte Gazprom Gas immer viel billiger als für die anderen Länder im Südkaukasus. Ende 2008 wurde unter Beteiligung Russlands eine Gaspipeline zwischen Iran und Armenien gebaut. Ab 2009 soll Armenien Gas auch aus dem Iran bekommen.
BOSNIEN UND HERZEGOWINABosnien und Herzegowina bezahlt derzeit für russisches Gas rund 500 US-Dollar pro Tausend Kubikmeter – direkt an Gazprom. Das bestätigte Almir Becarevic, Direktor des bosnisch-herzegowinischen Gasversorgers BH-Gas. Dies sei etwa genauso viel, wie Deutschland bezahle. Den Verbrauchern (Kleinverbraucher, das heißt Privathaushalte etc.) werden pro Kubikmeter 0,44 Euro (zuzüglich Mehrwertsteuer in Höhe von 17 Prozent) in Rechnung gestellt. Großverbraucher zahlen weniger, sie handeln separate Verträge mit eigenen Konditionen aus. In diesem Jahr erwartet Becarevic keine Preiserhöhung für Gas in Bosnien und Herzegowina: „Die Anzeichen deuten eher darauf hin, dass der Preis fallen wird“, sagte er.
WEISSRUSSLANDEs gibt keine offiziellen Angaben darüber, wieviel Geld Weißrussland für russisches Gas bezahlt. Nach einem Besuch von Präsident Lukaschenko in Moskau wurde nur berichtet, dass beide Seiten mit dem derzeitigen Gaspreis zufrieden seien und das der Preis für Weißrussland im Laufe dieses Jahres auf die Hälfte bis ein Drittel sinken wird. Experten schätzen, das Weißrussland im kommenden Jahr rund 160 Dollar pro Tausend Kubikmeter Gas bezahlen wird. Am Anfang des Jahres 2008 hat das Land diesen Schätzungen zufolge 110 Dollar, später 129 Dollar gezahlt.
BULGARIENDer Vertrag über die Gaslieferungen zwischen Bulgarien und Russland ist vertraulich. Die Medien fordern Transparenz, doch bis jetzt haben sie das nicht erreicht.
Bulgargaz EAD erhebt seit 1. Oktober 2008, in Übereinstimmung mit einer Entscheidung der staatlichen Energie- und Wasserregulierungsbehörde, zwischen 539 und 546 bulgarische Leva (374 bis 379 US-Dollar) pro Tausend Kubikmeter Gas.
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