Albanien

Klare Verhältnisse statt Zitterpartie

Entgegen allen Umfragen, die ein Kopf-an-Kopf-Rennen der Sozialistischen (PS) und der Demokratischen Partei (PD) voraussagten, scheint es bei den albanischen Parlamentswahlen einen klaren Sieger zu geben: die Demokratische Partei des alten und neuen Premierministers Sali Berisha. Nach ersten vorläufigen Ergebnissen der staatlichen Wahlkommission von Montagfrüh liegt Berishas Partei mit sechs Mandatssitzen vor Herausforderer Edi Rama.

Nach Auszählung der Stimmen aus 742 Wahlbüros von insgesamt 4753 führt die PD traditionell im Norden des Landes, aber auch in Korça und Gjirokastra, die PS hingegen setzte sich in Mittelalbanien und in einigen Städten des Südens durch (Tirana, Elbasan, Vlora). Obwohl die Sozialisten nach Erscheinen der ersten Hochrechnung noch erklärt hatten, dass die Schätzungen fehlerhaft seien und „ein falsches Experiment am falschen Ort” darstellten, haben sie inzwischen ihre Hoffnungen aufgegeben, den Stimmenvorsprung noch aufholen zu können. Die Auszählung endet Montagnachmittag um 17 Uhr.

Erstmals wählten die 3,1 Millionen Albaner am Sonntag dezentral nach einem regionalen Proportionalitätssystem. Zur Wahl standen 34 Parteien und vier verschiedene Koalitionen, die 140 Abgeordnete ins Parlament entsenden. Die diesjährigen Wahlen waren die 9. Wahlen nach dem Sturz des stalinistischen Hoxha-Regimes. Zum ersten Mal durften junge Menschen wählen, die nach dem Sturz des Diktators, also nach 1990, geboren wurden.

Die Wahlen verliefen dennoch mit einigen Überraschungen: Trotz der zum Teil politisch motivierten Morde im Vorfeld verliefen die Wahlen nach übereinstimmenden Stellungnahmen der zentralen Wahlkommission, von Politikern, Medien und den 500 ausländischen Beobachtern so ruhig wie noch nie. In einer Verlautbarung erklärte die zentrale Kommission, dass trotz einiger weniger Probleme in fünf Wahlzentren die Durchführbarkeit der Wahl nie gefährdet war. Die Politiker der führenden Parteien Edi Rama (PS), Sali Berisha (PD) und Ilir Meta (LSI) begrüßten die guten Standards bei der Wahl, die nicht zuletzt als ein Gradmesser für die Tauglichkeit Albaniens für eine EU-Mitgliedschaft betrachtet werden.

Trotz dieser Erklärungen kam es zu einigen Unregelmäßigkeiten auf den Wahllisten. In Kukës beispielsweise beschwerten sich sozialistische Parteigänger, die erklärten, dass die Namen auf den Kandidatenlisten nicht mit denen übereinstimmten, die Tage zuvor vorgelegen hätten. Ein anderer Zwischenfall ereignete sich in Tirana: Der sozialistische Kandidat Sajmir Tahiri wurde bei seiner Stimmabgabe von einem Bodyguard des Innenministeriums tätlich angegriffen. Im Vorort Bathore wurde der PS-Leiter des Wahllokals von Kollegen seiner Position enthoben. Beide Zwischenfälle blockierten die jeweiligen Wahlzentren zeitweise. Aus Elbasan wurde berichtet, dass die Stimmzettel mit Autos verteilt wurden, die den PD Schriftzug trugen. Ähnliche Probleme mit der verbotenen Verwendung von Partei-Symbolen in Wahlzentren traten in Lezha und Bilisht auf.

Die zweite große Überraschung war die außergewöhnlich hohe Wahlbeteiligung. Nach ersten vorläufigen Schätzungen gaben rund 65 Prozent der Albaner ihr Votum ab. Das ist im Vergleich zur Wahl 2005 ein Plus von mehr als 15 Prozentpunkten. Bis zuletzt hatten alle Spitzenpolitiker zur Stimmabgabe aufgerufen: Als Amtsinhaber Berisha gegen 9.50 Uhr seine Stimme abgab, rief er ebenso wie sein Herausforderer Rama noch einmal dazu auf sich an den Wahlen zu beteiligen. Staatspräsident Bamir Topi traf sich nach der Stimmabgabe mit dem amerikanischen Botschafter John L. Withers und dem Leiter der OSZE-Delegation in Albanien Robert Bosch zu einem informellen Kaffee. Beide gaben danach ebenfalls eine Erklärung ab, in der sie die Albaner aufriefen, an den Wahlen teilzunehmen.

Für die Wahlen reiste ein Großteil der Emigranten aus Griechenland an. Die starke Teilnahme von Emigranten an den Wahlen wird auf den Besuch von Giorgos Papandreou, dem Vorsitzenden der griechischen Sozialisten in Tirana, zurückgeführt. Papandreou hatte erklärt, dass im Fall eines Sieges der albanischen Sozialisten alle albanischen Emigranten, die länger als drei Jahre in Griechenland leben, einen Antrag auf einen griechischen Pass stellen dürften.

Enttäuschend verlief die Wahl für die Partei „G99“, die sich nicht als junge demokratische Kraft profilieren konnte. Nach den bisherigen Ergebnissen kann sie nicht einmal einen Abgeordneten ins Parlament entsenden. Allerdings werden einige ihrer Politiker durch Listenplätze bei den Sozialisten im Parlament vertreten sein.


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