Tschechien

Böhmens Wälder sind immer noch krank

Der saure Regen sitzt tief im Boden

(n-ost) – Trostlose verdorrte Stümpfe auf den Höhenzügen des Erzgebirges, entlaubt oder ohne Nadelkleid galten zu sozialistischen Zeiten in der Tschechoslowakei als Sinnbild für eine Industriepolitik, die sich um die Umwelt nicht scherte. Der saure Regen, angereichert mit Schwefelausstößen riesigen Ausmaßes aus den Kraftwerken, machte den einst dicht bewaldeten Kamm zunichte.

Es war kein Wunder, dass sich die erste große Demonstration im Herbst 1989 in Teplice (Teplitz-Schönau) gegen die fehlende Umweltpolitik richtete, die auch die Menschen und ihre Gesundheit beeinträchtigte. Doch die Lage hat sich seit der Revolution vor 20 Jahren kaum gebessert. Das geht aus einer neuen Analyse des tschechischen Umweltministers Ladislav Miko hervor.

Der Bericht überrascht etwas, ist doch seit der Wende vordergründig viel passiert. Schrittweise wurden zwischen 1993 und 2004 alle Kraftwerke und chemischen Betriebe in der Region mit modernen Filteranlagen nachgerüstet. Doch der Schwefelausstoß pro Einwohner ist dennoch in Tschechien derzeit doppelt so hoch wie im europäischen Durchschnitt. Gleiches gilt für Stickoxide, heißt es in dem Bericht.

Die Umwelt „vergisst” die Sünden der Vergangenheit nicht so schnell. Der saure Regen sitzt immer noch fest im Boden. Dafür fehlen dort die Nährstoffe, die die Bäume benötigen. Auch großflächige Düngungen schaffen kaum Abhilfe. Ein Grund dafür, dass bis heute das Sterben vor allem der Fichten nicht aufgehört hat. Neben dem Erzgebirge sind vor allem das Riesengebirge und das Isergebirge betroffen. Die Experten befürchten zunehmend auch neue Schäden im Adlergebirge.

Insgesamt sind der Studie zufolge in Tschechien 15 Prozent des Bodens stark und mehr als 30 Prozent mittelstark geschädigt. Fünf Prozent gelten als extrem geschädigt. Ein großer Teil davon findet sich im Erzgebirge. Die Autoren der Studie warnen zudem vor einer zu umfangreichen Abholzung der Wälder für wirtschaftliche Zwecke. Dies schädige den Boden zusätzlich.

Völlig trostlos ist die Lage dennoch nicht. Mitte des Jahres wurde das Riesengebirge mit einem internationalen Zertifikat ausgezeichnet. Das bescheinigt, dass dort besonders ökologisch gewirtschaftet wird. Der Nationalpark Riesengebirge ist der einzige in Tschechien, der sich dieser Auszeichnung rühmen darf. 1984 hatte der Weltverband für den Schutz der Umwelt den Nationalpark Riesengebirge noch als einen der bedrohtesten Parks weltweit geführt. In den 1970er und 1980er Jahren waren dort etwa 10.000 Hektar Wald Opfer der Industrieausdünstungen geworden.

Die Regierung in Prag hat zudem im vergangenen Jahr ein Nationales Waldprogramm aufgelegt. Das sieht unter anderem die Anpflanzung von sehr viel mehr Laubbäumen vor, die widerstandsfähiger als die Fichten sind. Außerdem wird in dem Programm das großflächige Abholzen untersagt.

Hans-Jörg Schmidt
ENDE


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