Die Urmutter des russischen Pop
Alla Pugatschowa, russischer Popstar seit 1970, beendet ihre Karriere – mit einer Konzerttournee durch Deutschland
(n-ost) – Mit einer schwarzen Schleife in ihrer roten Löwenmähne und schelmisch lächelnd blickt sie von der Titelseite des größten russischen Boulevardmagazins. „Alla Pugatschowa: Über Sex weiß ich alles“, steht da. Und so geht das schon, seit in Russland vor über 20 Jahren der Boulevard-Journalismus entstand. Alla Pugatschowa ist die Königin des russischen Pop, sie hat ihn in den 60er Jahren begründet, sie hat ihn durch die Wirren nach dem Zerfall der Sowjetunion geführt, und noch heute, mit 60 Jahren, ist sie die wichtigste Marke der russischen Pop-Industrie.
Unter anderem besitzt Alla Pugatschowa einen eigenen Radiosender, der neben ihren eigenen Liedern das spielt, was Alla gefällt. Dass sie wirklich ihre Karriere beenden will, glaubt ihr kaum jemand. Aber offiziell ist die Welt-Tournee „Träume über die Liebe“, mit der sie ab Freitag durch Deutschland reist, ihre wirklich allerletzte. Im westlichen Ausland ist die Pugatschowa quasi unbekannt, in den ehemaligen Ostblock-Ländern galt sie indes sehr wohl als eine Größe des Showgeschäfts. In St. Petersburg wird derzeit sogar ein „Pugatschowa-Musiktheater“ in Form eines 100 Meter hohen Buchstabens P für über 5000 Besucher gebaut.
In die Herzen der Russen sang sich Pugatschowa mit ihren frühen Auftritten: Für den Kinofilm „Ironie des Schicksals“ (1975), bis heute der beliebteste Film aller Russen, interpretierte sie zu Gitarrenklängen Gedichte von Anna Zwetajewa und Bella Achmadullina – russische Poeten, die bei der Sowjetmacht als Dissidenten verpönt waren. Pugatschowa mixte westliche Musikstile und Rhythmen mit russischer Poesie und Volksliedern, ihr bekanntestes Lied „Millionen roter Rosen“ kursierte millionenfach auf Kassetten durch die ganze Sowjetunion.
In den 80er Jahren versuchten die sowjetischen Kulturfunktionäre, Pugatschowa auch international zu vermarkten: Alla trat mit ABBA und dem französischen Chansonnier Joe Dassin auf – allerdings mit mäßigem Erfolg. Für echtes Aufsehen sorgte lediglich ihr pazifistisches russisch-deutsches Duett mit Udo Lindenberg: Der Deutsche reiste 1985 zu den Weltjugendfestspielen nach Moskau und fragte Hand in Hand mit Pugatschowa „Wozu sind Kriege da?“
Allerdings bekam der Auftritt durch eine Textänderung einen propagandistischen Beigeschmack: Aus dem deutschen „Und ich fürchte mich in diesem Atomraketenwald” machte Lindenberg auf Russisch „Ich fürchte mich in diesem Wald aus westlichen Raketen“. Erst 1997 versuchte Pugatschowa es noch einmal: Beim Eurovision Song Contest in Dublin landete sie auf dem für eine Diva vom Schlage Pugatschowas schmachvollen 15. Platz.
So konzentriert sie sich seither lieber auf das Publikum, das sie wirklich liebt – die russischsprachige Bevölkerung auf der ganzen Welt: Pugatschowa spielt in den USA, Kanada, in Großbritannien vor ausverkauften Hallen. Präsidenten ehemaliger Sowjetrepubliken überreichen ihr bei ihren Auftritten Ehrenorden – den russischen Orden dritter Klasse für Verdienste vor dem Vaterland bekam sie jüngst von Präsident Dmitri Medwedjew verliehen. Unter den Russen genießt Pugatschowa nach einer Umfrage von 2009 das höchste Ansehen – nur übertroffen von Medwedjew und Premier Wladimir Putin.
Das liegt auch daran, dass die zweifache Großmutter Pugatschowa bis heute der unbestrittene Liebling der russischen Klatschpresse ist, vor allem aufgrund ihrer unendlichen Liebesgeschichten mit jüngeren Männern. Bösen Zungen zufolge benutzten diese die gealterte Diva lediglich als Sprungbrett für die eigene Karriere. Insgesamt vier gescheiterte Ehen hat Alla hinter sich, die letzte ging sie in den 90ern mit dem unsäglichen Filipp Kirkorow ein, der in der Folge zu einem der bekanntesten russischen Popstars avancierte. Heute lebt Pugatschowa mit dem 27 Jahre jüngeren Maxim Galkin zusammen: Auch er wurde auf der Alla-Welle zum Star.
Konzerttermine:
19. Februar Hannover TUI Arena, 21. Februar: Mannheim SAP Arena, 24. Februar Düsseldorf ISS Dome, 26. Februar Nürnberg Arena, 28. Februar Berlin Max-Schmeling-Halle
Moritz Gathmann
ENDE
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