Ukraine

Neuer Flottenvertrag sorgt für Tumulte

Die russische Schwarzmeer-Flotte darf bis 2042 auf der ukrainischen Halbinsel Krim stationiert bleiben. Das Parlament in Kiew hat am Dienstag ein Abkommen zwischen der Ukraine und Russland ratifiziert, wonach der Schwarzmeer-Flottenvertrag um 25 Jahre verlängert wird. Der ursprüngliche Vertrag sah eine Stationierung bis 2017 vor. Als Gegenleistung muss die Ukraine 30 Prozent weniger für russisches Erdgas zahlen. Die Entscheidung kam nur mit einer knappen Mehrheit zustande. 236 von 450 Abgeordneten stimmten für die Ratifizierung des Abkommens.

Bei der Eröffnung der Parlamentssitzung gab es heftige Tumulte. Abgeordnete der Parteien „Block Julia Timoschenko“ und „Selbstverteidigung des Volkes“ bewarfen Parlamentssprecher Wladimir Litwin mit Eiern. Rauchbomben flogen durch den Saal. Parlamentssprecher Litwin musste sich mit einem Regenschirm vor den Attacken schützen.

Auf der Straße kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Etwa 10.000 Anhänger der Opposition und Unterstützer der Regierung versammelten sich vor dem Parlamentsgebäude. Regierungstreue Demonstranten hielten Flaggen der Partei der Regionen in die Luft. Oppositionsanhänger versuchten, das Parlamentsgebäude zu stürmen. Als die Polizei einen Demonstranten verhaften wollte, kam es zu Prügeleien mit den Sicherheitskräften.

Die Opposition wirft der Regierung vor, mit dem Erdgas-Flotten-Deal das Land verkauft zu haben. „Das Abkommen ist ein Verrat an der Ukraine“, sagte Oppositionsführerin Julia Timoschenko der Nachrichtenagentur ITAR-Tass. „Wir werden es rückgängig machen, sobald wir wieder an der Macht sind.“

Bereits am Samstag war es im Kiewer Regierungsviertel zu Demonstrationen und Wortgefechten zwischen Anhängern der Regierung und Oppositionellen gekommen. „Unterstützt Präsident Janukowitsch“, war auf einem Plakat zu lesen. „Wie könnt ihr unsere Heimat verkaufen?“, rief ein Anhänger der Opposition.

Das Verhältnis zu Russland spaltet die Ukraine. Die Menschen im Osten des Landes sprechen mehrheitlich russisch und orientieren sich weitgehend nach Russland. Die Ostukraine ist auch traditionell eine Hochburg der Partei der Regionen. Der ukrainisch-sprachige Westen des Landes begegnet Russland dagegen mit Misstrauen.

Nach der Orangen Revolution 2004 schwenkte die Ukraine auf Westkurs, sogar über eine NATO-Mitgliedschaft wurde diskutiert. Doch in den vergangenen Jahren verlor Präsident Viktor Juschtschenko immer mehr Rückhalt in der Bevölkerung. Der Dauerzwist mit Regierungschefin Julia Timoschenko, Missmanagement und Korruptionsvorwürfe führten zur Niederlage des Orangen Lagers bei den Präsidentschaftswahlen im Februar dieses Jahres.

Die neue ukrainische Regierung unter Präsident Viktor Janukowitsch, die seit Februar an der Macht ist, orientiert sich stärker an Russland. Am 21. April besuchte der russische Präsident Dmitri Medwedew die Ukraine – das erste Mal seit zwei Jahren – und brachte ein „Geschenk“ mit: 30 Prozent weniger müsse die Ukraine für russisches Erdgas zahlen. Als Gegenleistung dürfe die russische Schwarzmeerflotte 25 Jahre länger in Sewastopol auf der Krim stationiert bleiben.

Laut Abkommen soll Russland für den Flottenstützpunkt Sewastopol jährlich 100 Millionen Dollar zahlen. Die Ukraine spart bis 2019 im Gegenzug 40 Milliarden Dollar beim Kauf von russischem Erdgas. Das Land ist stark von Energie-Importen abhängig. Hohe Erdgaspreise belasten den Staatshaushalt. Die Ukraine war von allen Ländern Osteuropas am stärksten von der Wirtschaftskrise betroffen. 2009 stürzte das Brutto-Inlands-Produkt auf minus 14 Prozent ab.


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