Slowenien

Die Macht des Volkes

Eine venezianische Altstadt an der slowenischen Adriaküste: Das Städtchen Piran ist Namensgeberin der gleichnamigen Bucht, dem größten Zankapfel zwischen Slowenien und Kroatien. Denn durch die Bucht von Piran verläuft die Seegrenze beider Länder, über die man sich seit dem Zerfall des alten Jugoslawiens vor zwei Jahrzehnten partout nicht einigen kann.

Nun wird das Schicksal der umstrittenen Bucht in die Hände der slowenischen Bürger gelegt. Diese stimmen bei einem Referendum am Sonntag (6. Juni) darüber ab, ob ein internationales Ad-hoc-Schiedsgericht den Grenzkonflikt regeln soll. Das entsprechende Gesetz wurde bereits verabschiedet. Doch das Volksbegehren spaltet Slowenien. Die Regierungskoalition, allen voran Premier Borut Pahor, wirbt für das Gesetz. Sollten sich die Wähler gegen die Einsetzung des Schiedsgerichts entscheiden, sei dies "ein katastrophaler Fehler", so Pahor. Das Schiedsabkommen könne einen fairen Grenzverlauf regeln, und letztlich bestünde dadurch auch die Möglichkeit für Slowenien, einen Zugang zu internationalen Gewässern zu bekommen.


Die Opposition lehtn eine Klärung durch ein Schiedsgericht ab

Die Opposition gibt sich ablehnend: Man bräuchte kein internationales Schiedsgericht zur Klärung der Frage. Und man habe es auch nicht so eilig. Der konservative Oppositionsführer und Ex-Premier Janez Janša sagte, es sei leicht möglich, dass die Slowenen das Volksbegehren ablehnen und der ganze Verhandlungsprozess mit Kroatien dann wieder an den Anfang zurückkehren würde. Die Folge wäre eine erneute slowenische Blockade der kroatischen EU-Beitrittsgespräche.

Dafür sprechen auch die Prognosen: 57 Prozent der Slowenen sind für das Abkommen, 43 Prozent lehnen es ab, ergab eine Umfrage der Tageszeitung Delo vergangene Woche unter 600 Befragten. Noch vor kurzem sah es jedoch deutlich knapper aus mit der Mehrheit der Befürworter – noch ist alles offen. Sollte das Referendum das Gesetz tatsächlich kippen, so hat Pahor keine Alternativlösung. Zudem würde sein Thron stark wackeln.

Für Slowenien ist auch der wirtschaftliche Aspekt wichtig. Wenn das Land einen direkten Zugang zu internationalen Gewässern hat, ist dies ein Zeichen für ausländische Frachtunternehmen und stärkt das Vertrauen in den Standort. Zudem erhöht der eigene Zugang zum offenen Meer die Bonität Sloweniens für die Modernisierung der Eisenbahntrasse und bei der Suche nach einem strategischen Partner für den Hafen Koper. Dies sei jetzt besonders wichtig, weil man mit Triest und Rijeka um Marktanteile in der nördlichen Adria wetteifere, so Pahor.


EU-Beitrittsgespräche blockiert

Das Referendum sei zwar "kein übermäßiger Glücksfall, jedoch das kleinste Übel", sagt die kroatische EU-Verhandlerin Vesna Pusić. Sollte das Gesetz gekippt werden, müsste man sich eben erneut an einen Tisch setzen. Und zwar abgesehen von den Beitrittsverhandlungen, sagt sie optimistisch.

Der ungelöste Grenzverlauf führte im Vorjahr zu einer mehrmonatigen Blockade der EU-Beitrittsgespräche mit Kroatien. Slowenien hatte Veto eingelegt, da Kroatien bei den Verhandlungen Dokumente vorgelegt habe, die den Grenzverlauf vorwegnähmen. Das Schiedsabkommen sieht nun vor, dass der Status Quo vom 25. Juni 1991 zum Einsatz kommen solle. An diesem Tag hatten sich beide Länder vom alten Jugoslawien losgesagt. Zu sozialistischen Zeiten wurde die gesamte Bucht von Slowenien verwaltet, das entsprechend Zugang zum offenen Meer hatte. Kroatien pocht seither jedoch auf die Teilung der Buch in der Mitte, womit man den Slowenen diesen Anspruch auf internationales Gewässer entziehen würde.

Die Slowenen waren in den vergangenen zwei Jahrzehnten bereits mehrfach zum Referendum aufgerufen: Dabei mussten sie darüber abstimmen, ob sie die Unabhängigkeit von Jugoslawien, den Nato- sowie den EU-Beitritt wünschen.


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