Deutschland-Besuch von Viktor Janukowitsch
Am Montag wird der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch vor Vertretern der Industrie für eine enge Zusammenarbeit der Ukraine mit der Europäischen Union plädieren. Er wird erklären, dass sein Land ein verlässlicher Partner für die EU sei, vor allem wenn es um Erdgaslieferungen geht. Daneben hat Janukowitsch die deutsche Wirtschaft im Blick. Er will die Ukraine für deutsche Investoren schmackhaft machen.
Janukowitschs Besuch in Deutschland gleicht einer Werbetour und hat einen innenpolitischen Zweck. Bei den Präsidentschaftswahlen Anfang des Jahres war er mit dem Versprechen angetreten, die angeschlagene ukrainische Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Unter allen Ländern in Osteuropa musste die Ukraine am härtesten unter der Finanzkrise leiden. Das Brutto-Inlands-Produkt rutschte 2009 um fünfzehn Prozent ab, hohe Schulden belasten den Staatshaushalt.
Um die Wirtschaft anzukurbeln, ist Janukowitsch auf den Westen angewiesen. Vor allem Deutschland spielt für ihn eine wichtige Rolle. Neben Russland ist Deutschland der wichtigste Handelspartner der Ukraine und nach Zypern der zweitgrößte Investor. Mit hohen Renditeversprechen will die ukrainische Regierung deutsche Unternehmen ins Land holen. In diesem Jahr stehen mehrere Staatsbetriebe zum Verkauf. Die Ukraine muss dringend in energieeffiziente Technologien investieren, zudem ist das Gastransportsystem modernisierungsbedürftig. „Über die Ukraine laufen 80 Prozent der Gaslieferungen nach Europa. Sie hat eine Grenze zur EU und ist ein wichtiger Akteur in der Schwarzmeerregion”, sagt Alexander Rahr, Leiter des Berthold-Beitz-Zentrums in der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
Janukowitsch gibt sich reformwillig und setzt auch unpopuläre Maßnahmen durch. Im August erhöhte die Regierung die Energiepreise für Privatverbraucher um 50 Prozent. Janukowitsch hat damit eine Forderung des Internationalen Währungsfonds erfüllt und den Weg frei gemacht für einen Kredit in Höhe von 15,1 Milliarden Dollar. Mit der Europäischen Union verhandelt die Ukraine über ein Assoziierungsabkommen, welches eine Freihandelszone und eine verstärkte Zusammenarbeit in der Energiepolitik vorsieht.
Doch während sich Janukowitsch nach außen pro-westlich gibt, stehen Regierungskritiker im Land unter Druck. Oppositionelle berichten, vom Geheimdienst drangsaliert worden zu sein, Journalisten sprechen von Zensur. Oft werde die Berichterstattung von Sicherheitskräften behindert. Ein Journalist des Fernsehsenders Novij Kanal erklärt, im August von Polizisten zusammengeschlagen worden zu sein. Ein Reporter des Senders STB sei von Bodyguards des Präsidenten attackiert worden. Internationale Besorgnis löste das Verschwinden eines Zeitungsredakteurs aus. Der Journalist aus Charkiw wird seit dem 11. August vermisst. Er berichtete unter anderem über Korruption in der Justiz. Der Journalist wurde das letzte Mal gesehen, als er zu einem Unbekannten in einen silbergrauen BMW einstieg. Die Staatsanwaltschaft geht von einem Verbrechen aus und leitete eine Fahndung ein. Die OSZE äußerte sich bestürzt über den Fall. „Gewalt gegen Journalisten muss mit allen Mitteln aufgeklärt warden”, appellierte Dunja Mijatovic, OSZE-Beauftragte für Medienfreiheit, an die ukrainische Regierung.
In den vergangenen Monaten häuften sich Meldungen, wonach der Geheimdienst Regierungskritiker einschüchtern würde. Oppositionelle berichten, der Geheimdienst habe mit ihnen so genannte „vorbeugende Gespräche” geführt. Entweder seien sie in die Zentrale beordert oder persönlich aufgesucht worden. Ziel dieser „Gespräche” sei es, Kritiker zu überreden, ihre Meinung zu „überdenken”.
Zurzeit versucht Janukowitsch seine Macht im Land zu stärken. Mit einer Verfassungsreform will er die Zahl der Abgeordneten reduzieren und mehr Befugnisse auf den Präsidenten übertragen.