Klein-Kalifornien in Mazedonien
Lazar Petrov trägt selbst im Weinberg Seidenanzug und Krawatte. Mit geschultem Blick kontrolliert der 27-Jährige den Rebschnitt seiner Arbeiter. Dass er seinen Traumjob ausgerechnet in seinem mazedonischen Heimatdorf finden würde, daran hätte er vor ein paar Jahren nicht im Entferntesten gedacht. Wie viele Mazedonier arbeitete er im Ausland, als Kellner in Paris. Während eines Besuchs bei seinen Eltern bekam er das Angebot, das Weingut mit aufzubauen und zu managen. „Da habe ich gewusst, dass ich nie wieder nach Frankreich gehen werde.“
Mit seiner mediterranen Architektur könnte Popova Kula auch in der Toskana stehen. Doch obwohl es auf die Anbautradition der Region setzt, ist das Weingut noch nicht alt. Vor acht Jahren erst wurde es gegründet, 2005 wurde die erste Ernte eingefahren. Mittlerweile werden pro Jahr 600.000 Liter und 23 verschiedene Weine abgefüllt. Zuviel für den heimischen Markt, der mit gut zwei Millionen Einwohnern überschaubar ist. Deshalb werden Weine wie der rote Vranec oder der weiße Zilavka inzwischen auch nach Serbien, Polen, Großbritannien, Belgien und in die USA exportiert.
Das Weingut Popova Kula. / Birgit Johannsmeier, n-ost
Das Unternehmen wird mittlerweile sogar unter dem Namen „Balkan Wines“ an der mazedonischen Börse in Skopje gehandelt. Jordan Trajkov, der Firmengründer von Popova Kula, bietet Aktien im Wert von 2,7 Millionen Euro zum Spottpreis von einem Euro an.
Während seines MBA-Studiums in Arizona besuchte Trajkow auch das Anbaugebiet Napa Valley in Kalifornien. Es erinnerte ihn an seine Heimat. „Mazedonien könnte ein europäisches Napa Valley werden“, erklärt der Unternehmer seine Vision. „Allerdings fehlen uns Investitionen. Wir wollen so schnell wie möglich in die Europäische Union. Dann könnten wir EU-Gelder beantragen, um unseren Weintourismus weiter auszubauen“, sagt er.
Mazedonien hat zwar seit 2005 den Status eines EU-Beitrittskandidaten, doch Verhandlungen gibt es bis heute nicht. Schuld daran seien die fehlende Rechtssicherheit und die schleppende Bürokratie in dem postkommunistischen Land, sagt Marian Malinov, Generalsekretär der Deutsch-Mazedonischen Wirtschaftsvereinigung in der Hauptstadt Skopje. Auch ein Konflikt mit dem Nachbarn Griechenland verbaut den Weg in die EU. Griechenland lehnt den Staatsnamen „Republik Mazedonien“ ab, da auch Teile Nordgriechenlands zum historischen Mazedonien gehören.
Trotzdem zählt Griechenland zu den wichtigsten Investoren in Mazedonien. Auch die Automobilindustrie lässt teilfertigen, genau wie die Textilbranche, darunter Marken wie Gerry Weber, C&A sowie Hugo Boss. Sogar die Deutsche Telekom hat den Schritt in den Balkanraum gewagt. Umso bedauerlicher sei es, dass der Energieversorger RWE seit Jahren zwei große Wasserkraftwerke bauen will, aber keine Genehmigung bekommt, sagt der Wirtschaftsvertreter Marian Malinov. „Die schleppende Bürokratie blockiert alles“, bedauert er.
Noch hat Mazedonien keine Institutionen, mit denen es die begehrten europäischen Strukturfonds beantragen könnte. Dabei hat das Land Potenzial, meint Jens Adler von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, GTZ: „Es gibt hier junge und gut ausgebildete Arbeitskräfte“, sagt er. In den Straßen der Hauptstadt Skopje sieht man vor allem junge erfolgreiche Mazedonier, die mit ihren Neuwagen oder Motorrollern zur Arbeit eilen und in den Straßenbistros zu Mittag essen. Sonst ist Mazedonien vor allem ländlich.
Ein Grund, warum das Land vor allem auf den Tourismus setzt. Im malerischen Dreiländereck mit Albanien und Griechenland an den zwei Gebirgsseen Prespa und dem Ohrid ist dies teilweise schon gelungen. Das Bergdorf Vevceni beispielsweise hat in den vergangenen Jahren kaum einer seiner 2.500 Einwohner verlassen. Gligor Kostojchinoski wagte hier 2003 als erster den Schritt in die Selbstständigkeit als Gastwirt. Heute können in Vevceni sieben Restaurants vom Tourismus leben. Noch mehr Dynamik sähe er für sein Geschäft, wenn Mazedonien endlich der EU beitreten würde, sagt Kostojchinoski.
Mazedonien verfügt über
eine lange Weinbautradition. / Birgit Johannsmeier, n-ost
Eine EU-Mitgliedschaft würde Vorurteile abbauen, erklärt der Weingutverwalter Lazar Petrov. Wer über Mazedonien spreche, denke an das ehemalige Jugoslawien, an den Balkan, an Krieg. Aber Qualitätswein und junges, gut ausgebildetes Personal, das fließend Englisch spreche, komme selten in den Sinn. Seine ausländischen Gäste seien immer wieder überrascht. Mit einem größeren Wellness- und Freizeitangebot könne man die Gäste eine Woche im Hotel von Popova Kula halten, meint Petrov. Der junge Mann im Seidenanzug denkt aber noch weiter. „Eines Tages wird unser Name in aller Munde sein, und die Leute strömen hierher, um das mazedonische Napa Valley zu sehen.“