Polen

Starkult um Ronaldo

Dutzende Bewohner von Opalenica versammelten sich gestern (Dienstag) früh an der Straße, die zum rund 30 km entfernten Flughafen in Posen führt. Bei Wind und Regen wollten sie das letzte Mal den Bus mit ihren EM-Favoriten erblicken. Die Fans nahmen Abschied von den Portugiesen, die zum Halbfinale ins ukrainische Donezk flogen.

Fast einen Monat lang wohnte die portugiesische EM-Mannschaft mit ihrem Top-Star Cristiano Ronaldo in der landwirtschaftlich geprägten Kleinstadt mit rund 9.000 Einwohnern. Immer wieder veranstalteten die Portugiesen öffentliche Trainings, das letzte fand am Samstag statt. Das Stadion des Regionalligisten „Promen“ war zu klein, und viele Schaulustige konnten das Training nur durch den Zaun verfolgen. „Forca Portugal! Vamos a final!“, skandierten die Zuschauer auf Portugiesisch. „Ronaldo, Ronaldo“ – brach der vorwiegend weibliche Teil des Publikums aus, immer wenn der Fußballer am Ball war. Der Star reagierte mit Winken und Nicken auf die Verehrung. Keine Kritik gelangte an sein Ohr. „We love you“, konnte er stattdessen hören.

Drei Mal präsentierte sich Ronaldo mit seiner Mannschaft öffentlich, so oft wie kein anderer EM-Teilnehmer. Der Star bedankte sich bei den Fans auf außergewöhnliche Weise. „Dziekujemy Opalenicy“ (Danke Opalenica) stand auf dem Transparent, das er ausrollte. Dann schleuderte er Trikots ins Publikum, verteilte geduldig Autogramme und posierte für Fotos.

Die Unterschrift von Ronaldo und Co. hat Aneta Glowacka, 17, schon im ersten Training bekommen. Die Gymnasiastin aus Opalenica kam mit ihrer Klasse und dem Sportlehrer ins Stadion und hatte Glück. Der portugiesische Fußball-Star hielt unerwartet vor ihrer Gruppe. Aneta war schockiert vor Begeisterung – und gab ihm kurzerhand ihr Matheheft. „Ronaldo hat seine Unterschrift auf die letzte Seite gesetzt“, erzählt Aneta. „Ich habe in seine Augen geschaut. Er ist super“. Die Schülerin ist überzeug: Portugal wird Europameister.

Die meisten Einwohner von Opalenica wünschen sich ein ähnliches Szenario. Nach dem Ausscheiden der Polen gilt Portugal längst als Favorit. „Wir drücken unseren Portugiesen die Daumen“, sagen sie einstimmig. Die Portugiesen waren am Anfang allerdings skeptisch und vermieden öffentliche Auftritte. Nach dem verlorenen Spiel gegen Deutschland, als sie vorm Hotel mit lauten „Es ist nichts passiert“ Rufen empfangen wurden, ließen sie sich durch die freundschaftliche Begrüßung und Trostworte beeindrucken. Ein Tag danach veranstalteten sie das erste öffentliche Training, das rund 2.000 Zuschauer anlockte.

Beata und Rafal kamen aus Schlesien zu Besuch in die benachbarte Kreisstadt Nowy Tomysl. „Der Aufenthalt der Portugiesen in Opalenica hat uns motiviert, alte Freunde zu besuchen“, erzählt Rafal. „Das ist außerdem die einzige Chance, den teuersten Fußballprofi der Welt zu sehen“. Dreieinhalb Stunden vor dem geplanten Training warteten sie in der Menge vor dem Stadion. Sie waren begeistert. Ein Dudelsacksackspieler heiterte die Leute zum Skandieren auf, erzählen sie.


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