Ungarn

„Die Leute misstrauen den konventionellen Medien"

ostpol: Wie würdest du die politische Richtung von „Velemenyvezer ” beschreiben?

Szabolcs Panyi: Wir sind eine Gruppe von Liberal-Konservativen. Wir haben den Blog gestartet, als die sozialistische Vorgängerregierung noch an der Macht war, und waren ihr gegenüber sehr kritisch eingestellt. Als Fidesz die Wahl gewonnen hatte, haben wir auf eine positive Veränderung gehofft. Leider mussten wir später feststellen, dass diese Regierung genau so inkompetent und korrupt ist wie ihre Vorgänger. Wir begriffen, dass sich nichts ändern würde. Ich finde es bemerkenswert, dass westeuropäische Journalisten unsere Regierung immer als rechts beschreiben. Denn eigentlich ist sie das nicht. Schließlich haben sie diese sozialistische Tendenz, alles zu nationalisieren und unter Kontrolle des Staates zu bringen. Das private Rentensystem wurde zum Beispiel verstaatlicht oder jetzt gerade der Verkauf von Tabak. Es ist mehr Hugo Chavez, als eine Menge Leute denken.

In Deutschland sind Blogs längst noch nicht so populär wie traditionelle Medien. Warum ist in Ungarn das Gegenteil der Fall?

Panyi: Die meisten Meinungen, die in Zeitungen oder Zeitschriften gedruckt werden, sind von Autoren, die mit bestimmten politischen Parteien verbunden sind und sehr subjektive Ansichten haben. Die Leute trauen diesen Gesichtern einfach nicht. Die meisten Zeitungen gehören Geschäftsmännern, die mit irgendwelchen Parteien verbandelt sind. Die überregionale „Nepszabadsag” zum Beispiel gehört zum Teil der Parteistiftung der sozialistischen Partei. Damit ist sie aber eine Ausnahme, denn die meisten Blätter gehören mittlerweile Orbans Gefolge. In diesen Redaktionen dürfen die Journalisten nicht über bestimmte Sachen schreiben und Politiker fordern bestimmte Artikel an, wenn sie für ein Thema werben wollen.

Die Regierung hat die Einrichtung einer Medienbehörde beschlossen, die die Medien kontrollieren soll. In den meisten EU-Ländern wurde das als Skandal gewertet. Siehst du eine große Einschränkung der Pressefreiheit in Ungarn?

Panyi: Westeuropa hat sich viel zu sehr auf die legislative Seite dieser Geschichte konzentriert. Bisher ist die Behörde nur in sehr wenigen Fällen aktiv geworden. Das größere Problem ist meiner Meinung nach die Frage der Verlagsbesitzer und die enge Beziehung zwischen der Regierung und einigen Oligarchen. Als Journalist ist es dir hier immer noch möglich zu schreiben, dass Orban ein Diktator ist, aber du solltest besser nicht über bestimmte Geschäfte der Oligarchen berichten. Dazu kommt noch das neue Informationsrecht, das wieder in einem rasend schnellen Parlamentsverfahren beschlossen wurde. Das wird die Pressefreiheit viel mehr einschränken als diese Medienbehörde. Diese hastigen Gesetzesbeschlüsse beunruhigen mich sehr. Und sie schrecken auch ausländische Investoren ab. Es ist schwer, einen Business-Plan zu entwerfen, wenn man nicht weiß, was morgen sein wird.


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