Polen

Feldarbeit für die EU - Studenten werben in Ostpolen für die Europäische Union

Eigentlich könnte Dariusz Wolanin seinen Magister der Politikwissenschaft längst in der Tasche haben. Doch Europa ist ihm dazwischen gekommen. Vor etwa einem Jahr hing in seiner Universität in der ostpolnischen Stadt Lublin ein Plakat: Praktikanten gesucht für das regionale EU-Informationszentrum. Dariusz hatte keine Ahnung, was das für ein Zentrum sein sollte, doch er ging aus Neugier zu dem angekündigten Treffen. „Ich war damals eher EU skeptisch“, sagt er.

Inzwischen ist Dariusz einer von 70 Freiwilligen, die in Lublin und Umgebung Werbung für die EU machen, in Schulklassen, in der Fußgängerzone, bei Picknicks auf dem Land und bei wöchentlichen Abenden im Zentrum selbst. Ein Gehalt bekommt er nicht für seine Arbeit. Enthusiasmus treibt ihn an und die vage Hoffnung, dass diese Arbeit seine Chancen auf einen Job erhöht. Doch Begriffe wie Enthusiasmus sind Dariusz viel zu pathetisch. „Ich habe auch Zeit gebraucht, um die Chancen des EU-Beitritts zu erkennen“, sagt er „jetzt möchte ich diese Chancen einfach anderen Menschen zeigen.“

35 regionale EU-Informationszentren gibt es in Polen, gleichmäßig über das Land verteilt. Dort können sich Bürger gezielt über Fragen zur EU informieren: Unter welchen Bedingungen kann ich in EU-Ländern arbeiten? Welche Stipendien gibt es für Studenten? Welche Fördermöglichkeiten für Landwirte? Das Spektrum der Fragen ist weit. Auch wer mit einem Formular nicht zurecht kommt, kann sich beim Ausfüllen helfen lassen. Bei sehr komplizierten Fragen, etwa zum Thema Landwirtschaft, wird an staatliche Stellen verwiesen. Noch müssen die Mitarbeiter des Zentrums in Lublin für einen großen Teil ihrer Arbeit projektweise Mittel auftreiben. Mit dem EU-Beitritt Polens hoffen sie, als Informationsstelle von der Europäischen Kommission gefördert zu werden.

Dass solche Informationszentren gerade im Osten Polens dringend gebraucht werden, zeigen die Ergebnisse des EU-Referendums vom Juni diesen Jahres. Da hatten zwar 77,5 Prozent für den Beitritt zur EU gestimmt, nur knapp 59 Prozent aller Wahlberechtigten waren aber überhaupt zur Abstimmung gegangen – im Osten des Landes war die Beteiligung am geringsten. Vor allem die Landbevölkerung östlich der Weichsel glaubt vom Beitritt Polens zur EU wenig zu profitieren. Vielmehr sind als erste spürbare Veränderungen im Vorfeld des Beitritts die Grenzen zur Ukraine und zu Weißrussland ausgebaut worden. Seit dem 1. Oktober gilt Visumspflicht für Weissrussen und Ukrainer, das bekommt so mancher kleine Händler in der Grenzregion nun zu spüren.
Dass stattdessen EU-Mittel gerade in den strukturschwachen Osten Polens fließen werden, glaubt dort noch keiner so recht. Dabei gibt es erste Beispiele. Die mittelalterliche Innenstadt von Lublin etwa, wurde gerade mit Hilfe eines EU-Zuschusses von über zwei Millionen Euro saniert.

Beispiele wie dieses liefert EU-Befürwortern wie Duriusz wichtige Argumente. Er jedenfalls würde gerne in Lublin bleiben und an einer guten Zukunft für seine Heimatregion mitarbeiten. Obwohl die schlechten Jobaussichten im Osten junge Akademiker wie ihn in der Regel nach Warschau treiben, in die wenig geliebte aber chancenreichere Hauptstadt. „Wir werden sehen“, meint Dariusz unsicher aber nicht hoffnungslos im Hinblick auf den Beitritt Polens zur EU am 1. Mai. Bis dahin will er, seinem Europa-Engagement zum Trotz, auch die Magisterarbeit geschafft haben.

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