Rolandas Paksas: Schuldig in allen Punkten der Anklage
Vilnius (n-ost) "Zwei Mal die Woche Tennis spielen und mindestens ein Mal in zwei Monaten das Ferienhaus besuchen". So wollte der russische Industrielle Juri Borisow auch seine "Freundschaft" mit dem litauischen Praesidenten Rolandas Paksas per Vertrag besiegeln. Allerdings koennte der viel verfaenglichere Teil der Beziehungen zwischen diesen beiden Maennern - zwielichtige Absprachen und duestere Geschaefte - Paksas bald Kopf und Kragen kosten. Die Amtsenthebung des litauischen Präsidenten ist so gut wie sicher. Nach Wochen langen Anhörungen und Beratungen hat die spezielle Untersuchungskommission des Parlaments am 20. Februar ihre Schlussfolgerungen verkündet: Schuldig in allen sechs Anklage-Punkten. In einer anschliessenden Abstimmung sprach sich die grosse Mehrheit des Parlaments fuer die Aufnahme eines Amtsenthebungsverfahrens aus.
Der erste Anklage-Punkt umfasst saemtliche Gruende, die im vergangenen
Herbst zum Ausbruch des Präsidenten-Skandals geführt hatte: Die
Wahlkampf-Spenden des Unternehmers Juri Borisow an Paksas, und im Gegenzug die litauische Staatsbürgerschaft und das Versprechen eines Beraterpostens nach der Wahl
für den russischen Chef von „Avia Baltika“. „Die unrechtmäßige Anwendung der
laut Verfassung gewährten Ausnahmeordnung zur Erteilung des Staatsbürgerschaft
diskreditiert die Autorität des Präsidentenamts“, heißt es dazu in den Schlussfolgerungen.
Weiterhin: Nicht-Wahrung des Staatsgeheimnisses. Der litauische Präsident
hatte seinem Geschäftsfreund zu verstehen gegeben, dass dieser wegen seiner
windigen Machenschaften bereits ins Visier der Sicherheitsdienste geraten war und
seine Telefongespräche abgehört wurden. Abgesehen davon soll Paksas seinen Status als Präsident ausgenutzt haben, um Unternehmens-Entscheidungen zu beeinflussen und seinen Freunden und Bekannten Aktien zuzuschustern. Und schließlich: „Schnüffel“-Anordnungen des Präsidenten an seine Berater und keinerlei Vorkehrungen gegen Missbrauch der übertragenen Befugnisse. Auf diese Weise wurden über die Befehlskette Paksas – seine Berater – die Sicherheitsdienste Informationen über 44 Privatpersonen
eingezogen: gesetzeswidrig.
Die Annahme aller sechs Anklage-Teile kam überraschend. Noch am Vortag
sprachen die litauischen Medien von drei bis vier Punkten. Dafür ist aber jetzt
sehr viel absehbarer, wie es mit der Amtsenthebung weitergehen wird: Die
Ergebnisse der Untersuchungskommission gehen an das Verfassungsgericht, dieses legt
seinen Bericht dem Parlament vor. „Eine Abstimmung über die Enthebung kann
schon Ende März oder Anfang April stattfinden“, meint der Präsident des Seimas
Arturas Paulauskas. Angeblich sollen Vertreter von Paksas’ Liberaldemokraten
schon versucht haben, Parlamentsmitglieder durch Bestechung zu einer
positiven Stimmabgabe bei diesem entscheidenden Termin zu bewegen.
Theoretisch hat der litauische Präsident noch bis zu dieser Abstimmung die
Möglichkeit zurückzutreten, um sich die Schande der Amtsenthebung zu ersparen.
Daran scheint Paksas aber nicht im Traum zu denken: „Die Politiker tun
alles, damit ich nachgebe und zurücktrete, aber das wird ihnen nicht gelingen.“
Für diese Politiker ist das größte Problem, dass Paksas sich bis heute nicht
öffentlich von seinem kriminellen Freund Borisow distanziert hat. „Ich bin
sicher, dass der Chef von ‚Avia Baltika’ bis heute Einfluss auf Paksas hat, und
das ist das Schlimmste“, bestätigt Paulauskas.