Russland

Wahlbeeinflussung im Namen Allahs

Von Wiktor Gussew (hamar-jal@gmx.de)

Uljanowsk (n-ost) Am 14. März wird Russlands Präsident Putin wiedergewählt. Daran gibt es keinen Zweifel, denn die Präsidialadministration hat im Voraus durch die Gleichschaltung der Medien und durch Gerichtsverfahren gegen oppositionelle Unternehmer dafür gesorgt, dass kein Konkurrent dem heutigen Kreml-Herrn die Stirn bieten kann. Es geht nun lediglich noch darum, in welchen Prozentzahlen sich der Wahltriumph des KGB-Oberstleutnanten a. D. ausdrückt.
Bei diesem recht sozialistischen Wettbewerb um die besten Putin-Wahlergebnisse spielen moslemische Gegenden Russlands eine besondere Rolle. Für den Aufbau einer „gelenkten Demokratie“ sind vor allem Kreml-loyale moslemische Behörden in den Teilrepubliken Tatarstan, Baschkortostan und anderswo hilfreich – denn traditionell ist der Respekt der Muslime einer autoritären Führung gegenüber groß und der Glaube an eine Demokratie westlicher Prägung begrenzt.
Bereits bei der Parlamentswahl im Dezember 2003 haben an Allah glaubende Wähler einen bedeutenden Beitrag zum Sieg der Kreml-Partei „Einheit” geleistet. Wie dabei das Wahlgesetz gebrochen wurde, zeigen die folgenden Beispiele:

Tatarstan, Hauptstadt Kazan, November 2003: Die Direktoren und Chefs aller größeren Unternehmen drohen ihren Untergebenen mit Entlassung, falls sie nicht wählen gehen. Der Vorstand der „Wasserwirtschaft Kazan AG (WKAG)” geht noch weiter und verspricht der Belegschaft eine polizeiliche Verfolgung - wenn in ihren Wahllokalen zu viele Stimmen für ungewünschte Parteien und Kandidaten registriert werden: „Ihr müsst eure Nachbarn überreden, für „Einheit” und Chajrullin (einen Einheit-Kandidaten für die Duma) abzustimmen”. Tatsächlich kommt es nach der Wahl zu Bestrafungen. 16 von 2700 Mitarbeitern der „Wasserwirtschaft Kazan AG“ werden wegen Nichtbeteiligung an den Duma-Wahlen entlassen. Es helfen nicht mal ärztliche Bescheinigungen. Die Betroffenen nehmen es hin und wagen keine Klage gegen die offensichtliche Willkür, um ihre Lage nicht zu verschlimmern. Von den Gerichten erwarten sie keine Hilfe.
Region Uljanowsk, Kreis Zilna, tatarisch-moslemisches Dorf Kesche: Der Chorleiter des hiesigen Klubs Hamid Tamajew kommt mit 37 Pässen seiner ganzen Sippe zum Wahllokal. Die örtliche Wahlkommission sieht bei dieser Methode, die klar gegen das Wahlgesetz verstößt, kein Problem. Der an Verwandten reiche Familienvater bekommt ohne weiteres alle Wahlzettel ausgehändigt, kreuzt in allen Formularen „Einheit” an und wird dann von der Dorfverwaltung gelobt - als der beste Organisator der Stimmenabgabe.
Region Uljanowsk, tatarischer Kreis Staraja Kulatka: In der Nacht der Stimmenzählung freut sich sogar der Moskauer staatliche Sender RTR über die 77-prozentige Wahlbeteiligung im völlig unbekannten Wahlkreis an der Wolga. Alle Stimmen sind für „Einheit” abgegeben worden. Überhört wird die Klage des oppositionellen Wahlbeobachters Walerij Kislinski, dass die Wahlkreiskommission ihm die Aushändigung von Wahlprotokollen verweigert. Kislinski ist aufgrund eigener Zählungen überzeugt, dass die angegebene Stimmenzahl für „Einheit” die Zahl der Wähler übertrifft.

Wie bei Wahlen eine Hand die andere wäscht und welche Bedeutung Demokratie für den Kreml hat, zeigt der folgende Fall: Um die Wiederwahl ihres Präsidenten Murtasa Rachimow zu sichern, veranstalteten die Machthaber der moslemischen Teilrepublik Baschkortostan Wahlen ohne Volk. Eine Druckerei in der Republikhauptstadt Ufa fertigte einfach die nötige Zahl von bereits ausgefüllten Stimmzetteln an. Die Abstimmung ohne Wähler wurde von den nationalen Medien aufgedeckt und vom Kreml auch scharf kritisiert. Vor der zweiten Wahlrunde übergab deshalb der baschkirische Präsident mehrere Industriekomplexe zur Ölförderung und -verarbeitung in föderales Eigentum. Prompt wurden die gefälschten Resultate problemlos von der Republik-Kommission und von Moskau anerkannt.

Deutliche Hinweise von Wahlbeeinflussung auf Moslemisch werden auch aus der laufenden Präsidentschaftskampagne gemeldet. Aber die Moskauer Wahlkommission und die Gerichte schauen weg - solange die Wahlmanipulationen zugunsten Putins geschehen:
Im Februar 2004 legen Journalisten aus Kazan (Tatarstan) dem Vorsitzenden der russischen Zentralwahlkomission Alexander Weschnjakow Dokumente vor, die Anweisungen tatarischer Republikminister enthalten, am 14. März 2004 ein deutliches Ergebnis für Putin vorzuweisen. Der oberste Stimmenzähler Russlands weigert sich aber notorisch, zu den Fällen in der moslemischen Teilrepublik Stellung zu nehmen.

Ende

Andreas Metz


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