Rumänien

Rücktritt Pontas: Nur die Spitze des Eisbergs

Nach dem Rücktritt von Victor Ponta steht Rumänien vor einer politischen Krise, die sich über Wochen und Monate hinziehen kann.

Eine furchtbare Brandkatastrophe, die zu den Massenprotesten führte und ein politisches Erdbeben auslöst? Verständlich wird das, wenn man die Hintergründe beleuchtet. Zunächst: Das Brandinferno im Bukarester Klub Colectiv wurde, wie in den vergangenen Tagen herauskam, in erster Linie durch Schlamperei, lasche Kontrollen und wohl auch durch Korruption möglich – eine Betriebsgenehmigung hätte der Klub, so wie er bis Freitag existierte, niemals erhalten dürfen.


Nur die Spitze des Eisbergs

Doch der tragische Fall ist nur die Spitze eines Eisberges: Fast nirgendwo in Rumänien werden in Restaurants, Klubs, Kinos und ähnlichen Einrichtungen Brandschutz- und andere Vorschriften eingehalten. Zugleich durchdringt Alltagskorruption nahezu alle Bereiche des Lebens. Patienten zahlen Schmiergeld, um behandelt zu werden, Reisende, um besser durch Grenzkontrollen zu kommen, Verkehrsteilnehmer, um einen Führerscheinentzug zu vermeiden. Und natürlich bestechen viele Unternehmer Kontrolleure, die unter dem Vorwand geltender Vorschriften schikanös auftreten.

Darüber hinaus war die Brandkatastrophe zugleich auch das Ventil für einen seit langem aufgestauten Unmut vieler Menschen in Rumänien über ihre Machthaber: Der Ex-Regierungschef Victor Ponta hat seine Doktorarbeit erwiesenermaßen abgeschrieben und ist ein Plagiator. Vor einigen Monaten wurde er wegen Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Urkundenfälschung angeklagt und steht vor Gericht. Dennoch hielt er an seinem Posten fest. Seine Partei, die Sozialdemokraten, ist ein Inbegriff der Korruption. Pontas Innenminister Gabriel Oprea wiederum, der einer kleinen Splitterpartei vorsteht, stand öffentlich seit Wochen unter Druck, weil ein Polizist seiner Motorradeskorte bei einer Fahrt in ein Straßenschlagloch gefallen und tödlich verunglückt war. Oprea soll nach dem Unfall nicht einmal angehalten haben, außerdem ist fraglich, ob er überhaupt das Recht auf eine Eskorte hatte.


„Korruption tötet“

Korruption und feudale Herrenattitüden in einem schlampig geführten Staatswesen – davon haben viele Menschen in Rumänien die Nase mehr als voll. Der Staatspräsident Klaus Iohannis stellte sich am Wochenende gewissermaßen an ihre Spitze, als er in einer Ansprache nach der Brandkatastrophe sagte: „Wir dürfen die Inkompetenz von Behörden und die Ineffizienz von Institutionen nicht mehr tolerieren, wir dürfen es nicht mehr zulassen, dass sich die Korruption so weit ausbreitet, bis sie tötet.“

Victor Ponta und seine Regierungskoalition dürften gespürt haben, dass der Volkszorn sie ganz hinweg fegen könnte, wenn sie wie bisher stur an der Macht kleben. Nun steht Rumänien vor mehreren möglichen Szenarios, das wahrscheinlichste sind vorgezogene Neuwahlen. Doch damit sind die Forderungen empörter Bürger längst nicht erfüllt. Dafür bedarf es tiefgreifender und nachhaltiger Reformen des Staates, wie sie der Staatspräsident Klaus Iohannis in Aussicht gestellt hat. Die Brandkatastrophe und die jetzige politische Krise in Rumänien werden so zu einem großen Testfall für Iohannis, dessen spektakulären Wahlsieg vor einem Jahr viele Rumänen mit hohen, fast messianischen Erwartungen verknüpft haben.


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