Großserbische Propaganda wieder im Parlament
Die rechtsextreme Serbisch-Radikale-Partei (SRS) unter Vorsitz des vom UNO-Kriegsverbrechertribunal freigesprochenen Vojislav Seselj ist bei den Wahlen am Sonntag erstmals seit Jahren wieder ins Parlament eingezogen. Mit rund acht Prozent der Stimmen wurde die SRS drittstärkste Kraft im serbischen Parlament. Die Partei wirbt aktiv für ein Großserbisches Reich, lehnt einen EU-Beitritt strikt ab und sieht die Zukunft Serbiens in einem Bündnis mit Russland.
Auch die rechtsextreme Partei Dveri konnte dank einem Wahlbündnis mit der nationalkonservativen DSS ins serbische Parlament einziehen. Damit haben Parteien der extremen Rechten, die eine stärkere Anbindung an Moskau fordern und einen EU-Beitritt ablehnen, insgesamt 13 Prozent der Wählerstimmen in Serbien geholt.
Den SPD-Bundestagsabgeordneten Josip Juratovic beunruhigt das, aber er sagt dennoch: „Dieses Ergebnis sollte man nicht überbewerten. 85 Prozent der Serben haben sich klar für einen EU-Kurs ausgesprochen. Daran wird auch Vojislav Seselj nichts ändern.“
Ein-Personen-Wahlkampf
Noch vor einem Monat gingen viele davon aus, dass Seselj vom Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verurteilt werden würde. Ihm wurde vorgeworfen, Anführer mehrerer paramilitärischer Einheiten gewesen zu sein, die in den jugoslawischen Bürgerkriegen Massaker, Folter und systematische Vergewaltigungen an der nicht serbischen Zivilbevölkerung begingen.
Nach seinem Freispruch intensivierte Seselj seine Bemühungen um die Wähler. Bei den Wahlkampfveranstaltungen der SRS wurde mitunter die Flagge des Nachbarlandes Kroatien angezündet, während die Menge schrie: „Es lebe Großserbien“. Der Politologe Florian Bieber führt den Erfolg der Partei auf die Person Seselj zurück: „Der Wiedereinzug der SRS in das serbische Parlament hängt mit dem Ein-Personen-Wahlkampf zusammen. Die Rabaukenschaft Seseljs verschaffte der SRS die Öffentlichkeit und mediale Aufmerksamkeit, die ihnen beim Einzug ins Parlament geholfen haben.“
Die Anhänger solcher martialischen Darbietungen fristeten seit 2012 ein Dasein ohne Vertretung in der offiziellen serbischen Politik. Durch den Wahlerfolg von Seseljs SRS ist die großserbische Propaganda nun wieder im Parlament vertreten. Insbesondere in den Nachbarländern Kroatien, Bosnien und Herzegowina und Kosovo blickt man mit Argwohn auf die politischen Entwicklungen im Nachbarland. In diesen Staaten bestehen Einreiseverbote gegen Vojislav Seselj.
Keine Gefahr für EU-Kurs
Sein Wahlkampf hat schon erste Spuren hinterlassen. In einer kürzlich von der Wochenzeitung „Vreme“ veröffentlichten Umfrage sprachen sich 67,2 Prozent der Serben für ein Bündnis mit Russland aus. Laut derselben Umfrage will aber auch jeder zweite Serbe in die EU.
Eine wirkliche Gefahr für die serbische Regierung um Premierminister Aleksandar Vucic und deren klaren EU-Kurs stellt das Ergebnis nicht dar. Vucics Serbische Fortschrittspartei (SNS) konnte 48,2 Prozent der Stimmen holen. Das reicht für über 125 der 250 Sitze im serbischen Parlament und damit für die absolute Mehrheit. Dennoch ist die SNS bereit, breitere Koalitionsregierungen mit anderen Partnern einzugehen. Eine Bedingung dafür ist allerdings ein klares Bekenntnis zum EU-Kurs Serbiens. Seseljs rechtsextreme SRS kommt für eine solche Koalition nicht in Frage.
Der Politologe Florian Bieber geht nicht davon aus, dass das Wählerpotential der rechtsextremen Parteien in Serbien noch höher liegt, sieht aber eine andere Gefahr durch den Einzug der Rechtsextremen ins Parlament: „Nun wird die Regierung wieder nationalistischere Positionen einnehmen können mit dem Verweis, dass ansonsten die extreme Rechte erstarkt.“
Laut den Wahlbeobachtern der NGO CRTA kam es bei den jüngsten Wahlen zu Unregelmäßigkeiten. Einige Personen sollen zweimal gewählt haben. Zudem standen Anhänger verschiedener Parteien vor den Wahllokalen und fertigten Listen darüber an, wer gewählt habe, was einen klaren Verstoß gegen das serbische Wahlrecht darstellt.
Quellen:
- Gespräch mit Josip Juratovic
- Gespräch mit Florian Bieber
- Informationen der Wahlbeobachter vom CRTA