Serbien

Löcher im Zaun

Der Park neben dem Belgrader Busbahnhof ist eine Art Gradmesser für die europäische Flüchtlingspolitik - und momentan der Beweis dafür, dass die Balkanroute trotz Kontrollen und Zäunen keineswegs geschlossen ist: Zur Zeit liegen hier dutzende Flüchtlinge im Schatten, unterhalten sich oder schauen auf ihr Smartphone. Es ist über 30 Grad, die herumliegenden Essenreste fangen an zu stinken. Die sanitäre und medizinische Versorgung ist schlecht. Freiwillige Helfer verteilen an einem kleinen Holzhäuschen Essen und Getränke.

Die Zustände in der serbischen Hauptstadt sind Ergebnis von „Löchern in den Zäunen“, wie die Belgrader zu sagen pflegen. Die meisten Flüchtlinge sind mithilfe von Schleppern über Mazedonien hier eingereist. Allein seit Jahresbeginn wurden über Hunderttausend Flüchtlinge in Serbien registriert. Das ist weit entfernt von den Zuständen im vergangenen Sommer und Herbst, aber von einer geschlossenen Balkanroute kann nicht die Rede sein.


Fragwürdige Abschiebung aus Ungarn

Inzwischen tummeln sich im Park auch Personen, die Ungarn abgeschoben hat. Am 5. Juli verabschiedete die Regierung in Budapest ein Gesetz, das sogenannte „Push-Backs“ ermöglicht. Flüchtlinge, die im Umkreis von acht Kilometern von der Grenze entfernt aufgegriffen werden, können demnach nach Serbien abgeschoben werden. Diese Personen gelten dann als nicht eingereist, weil die ungarische Regierung diesen Bereich als „Transitzone“ definiert. Über 1.000 Menschen befinden sich inzwischen in diesen Transitzonen an der serbisch-ungarischen Grenze.

Maximilian Pichl ist juristischer Mitarbeiter bei ProAsyl und hält diese Praxis für rechtswidrig: „Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat schon 2012 entschieden, dass Push-Back Aktionen illegal sind. Wenn der ungarische Staat effektive Kontrolle über Flüchtlinge ausübt, weil sie von ungarischen Polizisten aufgegriffen werden, müssen die Menschen die Möglichkeit auf Zugang zu einem fairen Asylverfahren haben.

Alles andere verstößt gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und die Genfer Flüchtlingskonvention.“ Darüber hinaus wundert sich Pichl über die Einrichtung der acht-Kilometer langen Transitzone: „Der ungarische Staat kann nicht ein rechtliches Niemandsland ausrufen.“


Gute Zeiten für Schlepper

Die Menschen im Belgrader Park berichten über Menschenrechtsverletzungen durch die ungarischen Behörden. Ein junger Mann aus Pakistan zeigt sein verbundenes Bein und sagt in einfachem Englisch: „Ungarische Polizei, böse.“ Er ruft eine Karte auf Google Maps auf und zeigt auf ein Örtchen mitten in Ungarn. Dort hätte die ungarische Polizei ihn aufgegriffen, verprügelt und nach Serbien gebracht. Erst dort habe er medizinische Betreuung erhalten. Die ungarische Polizei halte sich nicht an die eigenen Gesetze und schiebe auch Personen ab, die sich bereits weit außerhalb der Acht-Kilometer-Zone befänden. Auch die Helfer im Park berichten, dass sich Misshandlungen und Abschiebungen mehren.

Die Belgrader nehmen die Situation im Park gelassen hin, doch bei vielen sorgt der Umgang Ungarns mit den Flüchtlingen für Empörung. Ungarn nimmt offiziell täglich bis zu 30 Asylanträge an. Laut serbischen Medienberichten sind es derzeit aber nur 15 pro Tag. Wer nicht das Glück hat, zu dieser Gruppe zu gehören, ist auf die Hilfe von Schleppern angewiesen. Je schwieriger der Weg, je besser bewacht die Grenzen, umso mehr Geld können diese an den Flüchtlingen verdienen.

Die 23-Jährige Rana will zu ihrer Familie nach Deutschland. Mit anderen denkt sie darüber nach, sich von einem Schlepper helfen zu lassen. Rana, die ihren echten Namen nicht nennen will, versucht sich gerade mit einem Serben mittleren Alters für die Fahrt nach Ungarn zu einigen. Das geschieht ganz offen, während Polizisten wenige Meter davon entfernt stehen. Es scheint, als würde es der serbischen Regierung passen, wenn die Schlepper dabei helfen, die Flüchtlinge schnell wieder loszuwerden. Der Mann behauptet, dass er mit den ungarischen Grenzern zusammenarbeitet. Die Nacht legt sich über den Park, es wir langsam kühler. Rund hundert Menschen liegen auf der Wiese und schlafen.


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