Russland

Die Wahrheit des Weines


Deutsche Winzer im Land der Wodkatrinker auf Werbetour

Von Dana Ritzmann (dritzmann@martens.ru, Tel: +7 248 23 30 oder +7 916 496
8040)

Moskau (n-ost). Schon Dostojewskij wusste die Genüsse des badischen
Reblandes zu schätzen. Doch ob die russische Literatur einige ihrer größten
Leistungen wirklich deutschem Wein verdankt, wurde nie nachgewiesen. Die
deutschen Winzer jedenfalls gehen jetzt in die Offensive und versuchen, ihre
besten Tropfen direkt in Moskau und Sankt Petersburg an den Genießer zu
bringen.

Mit dem 2003er "Jahrhundertjahrgang" im Gepäck ist es ein Leichtes vom
deutschen Wein zu schwärmen. Experten sagen, dass dies ein Jahrgang sei, von
dem noch "unsere Enkel sagen werden". Und die aktuelle Weinkönigin Nicole
Then spricht nur in Superlativen vom "Bilderbuchwein" des vergangenen
Jahres: traumhaft, grandios, phänomenal.
"Wir wollen weg von dem Liebfrauenmilch-Image des deutschen Weins, das sich
im Ausland hartnäckig hält", klagt Thomas Goth von der Winzergenossenschaft
Varnhalt. Den Weg nach Russland habe man ganz bewusst gewählt, um an die
alten Traditionen, die zwischen Baden-Baden und St. Petersburg einst
bestanden, anzuknüpfen. Der 2003er Jahrgang bekam dann auch prompt ein
stilechtes Etikett mit kyrillischen Buchstaben: ausgefallenes Design in
Kombination mit der hochgelobten Aromatik und der intensiven Frucht exklusiv
für die neue Kundschaft. "Wir haben viele betuchte Russen, die bei uns
einkaufen", erzählt Goth. Und der Trend gehe unübersehbar hin zum Riesling,
das neue Wunderkind des deutschen Weinbaus, das mit so klangvollen Namen wie
Sonnenberg, Moselblick oder Piesporter Goldtröpfchen daher kommt.
Jetzt gilt es also, den guten Tropfen an den Liebhaber zu bringen. Das
Interesse in Moskau sei groß, die Gesprächspartner gut informiert. Der
nächste Schritt, russische Importeure für die deutschen Weine zu finden,
wird von der Botschaft ebenso unterstützt wie von der Moskauer Niederlassung
des DWI, die unter anderem zwei Präsentationen im Rahmen der Riesling-Tour
organisierten.
Obwohl Deutschland noch nie seinen eigenen Weinbedarf decken konnte und in
Zahlen der größte Weinimporteur der Welt ist, haben die Winzer auch ein
Interesse am Export ihrer Produkte. Allerdings wird lediglich Weißwein
exportiert. Entsprechend dem weltweiten Trend trinken auch die Deutschen
inzwischen überwiegend Rotwein. Und obwohl sich der Anbau von roten Reben in
den letzten 20 Jahren verdreifacht hat, während gleichzeitig der
Weißweinanbau um 20 Prozent zurückging, reicht er lediglich für den
Eigenbedarf. Das gleiche gilt für die Geschmacksnote: 55 Prozent der
deutschen Weine sind trocken; für den Export seien jedoch hauptsächlich süße
Sorten vorgesehen, heißt es beim Mainzer Weininstitut. Für ihre Präsentation
im Rahmen der aktuellen Riesling&Co. Worldtour in Moskau und St. Petersburg
hatten die Winzer allerdings auch überwiegend trockene und halbtrockene
Weine ausgewählt. Die Vorstellung, dass die Russen am liebsten süßen Wein
trinken, trägt offenbar nicht mehr.
Tatsächlich trinken sie bisher insgesamt ziemlich wenig Wein: Der
Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei 3,4 Liter pro Jahr, in Deutschland sind es 24,4
Liter pro Person. Russland ist eben das Land der Bier- und Wodkatrinker,
doch sei Wein, nach den Worten von Nicole Then, weniger ein Getränk als
vielmehr ein Lebensgefühl - und das ändert sich in Russland derzeit
gewaltig.
Da gilt es also zur Stelle zu sein. Das Potenzial für deutschen Wein in
Russland sei auf jeden Fall da, betont Stefan Schindler vom DWI. Was die
meisten mittelständischen Winzer derzeit versuchen, nämlich mit einem
Importeur in Russland Fuß zu fassen, ist dem Würzburger Weingut Juliusspital
schon gelungen. Deutschlands zweitgrößtes Weingut ist seit zwei Jahren in
Kooperation mit White Hall auf dem russischen Markt vertreten. Die Franken
bieten zwei Sorten Weißwein an, die in einer Supermarktkette der gehobenen
Klasse für zwölf beziehungsweise 29 Euro verkauft werden, außerdem stehen
sie in einigen ausgesuchten Restaurants auf der Karte.


*** ENDE *** 

Dana Ritzmann


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