Russland

Da braut sich was zusammen

Ufa (n-ost). Kupfern glänzen die nagelneuen Braukessel in der Nachmittagssonne, die in die rustikale Bierstube fällt. Kellnerinnen in tief ausgeschnittenen Rüschenblusen und karierten Schürzen tragen eifrig Krüge mit weißen Schaumkronen durch die Reihen. Nach und nach füllen sich die Plätze an den schweren Eichentischen. Es hat sich längst rumgesprochen, dass man im „Ogni Ufy“ echtes deutsches Bier trinken kann, obwohl die Braustube im baschkirischen Ufa noch nicht lange geöffnet hat.
Die ganze Stadt kennt die lange Leidensgeschichte des Vergnügungskomplexes. Im Juni 2004 waren sogar 15 der „Ogni-Ufy“-Mitarbeiter in Hungerstreik getreten, weil sie sich nicht mehr anders zu helfen wussten. Ein Jahr warteten sie im Vergnügungstempel „Feuer von Ufa“ auf Kundschaft, doch wo die Luft brennen sollte, wo Tanzen und Feiern zum Programm gehören sollte, war nichts als Tristesse und Langeweile. Jeden Morgen kamen die 80 Angestellten zur Arbeit und jedes Mal ging der Tag vorbei, ohne dass sie auch nur einen sinnvollen Handgriff gemacht hätten.
Braumeister Christian Mitterbauer aus München und sein Kollege, Jens Buchhaupt, ein deutscher Koch mit osteuropäischer Küchenkenntnis, waren im Frühsommer 2003 in Ufa eingeflogen, mitsamt bayrischer Brautechnik im Wert von 16 Millionen Euro und modernster deutscher Küchenausstattung. Bald waren die Anlagen installiert, die wichtigsten Handgriffe etabliert und Pläne für die nähere Zukunft geschmiedet. So sollte schon bald eine deutsche Metzgerei und eine Bäckerei in den Kellerräumen des „Ogni Ufy“ arbeiten, dazu Fachleute aus München, Hamburg oder Berlin den Baschkiren die Originalrezepte von Kürbiskernbrötchen, Bauernbrot und Sauerbraten verraten. „Wir wollen deutsche Gastronomiekultur in Ufa ansässig machen“, erklärt Buchhaupt. Damit seine Gerichte die Qualität haben, die ihm wichtig ist, hatte er schon mit der Lufthansa verhandelt, um die notwendigen Zutaten täglich frisch aus Deutschland einfliegen zu lassen. „Bestimmte Spezialitäten fehlen hier, der Salat ist eine Katastrophe und die meisten Fleischprodukte entsprechen einfach nicht den hygienischen Standards, die man in Deutschland gewohnt ist“, klagt der beleibte Koch. Qualität hat ihren Preis, das weiß Buchhaupt, trotzdem solle das „Ogni Ufy“ ein „Vergnügungskomplex für normale Leute“ sein.
In dem gläsernen Partykomplex, der mit seiner extravaganten Türmchen- und Kuppelarchitektur im Stadtbild von Ufa auffällt, setzt man auf Masse: Etwa 1 200 Besucher finden, laut Buchhaupt, in der Anlage mit Bierstube, Bistro samt Boxring und einer Disko mit „der größten Lichtanlage Osteuropas“ Platz. Doch seit Juli 2003 stand der Vergnügungstempel leer – alles, was zur Eröffnung fehlte, war die letzte Unterschrift des Bürgermeisters. „Wir wurden immer wieder hingehalten“, erzählt Buchhaupt. Mal habe angeblich die Hygiene nicht gestimmt, mal waren die Außenanlagen nicht in Schuss, dann wieder waren die frisch angepflanzten, extra aus Deutschland eingeflogenen Bäumchen nicht genehm. „Ich habe verschiedenste Begründungen gehört“, erzählt Anna Treskina, Betreiberin einer Event-Agentur aus Dresden, die den Vergüngunskomplex promoten soll. Es hieß, das sei alles „die Schuld des Betreibers“ oder aber, es hätte „etwas mit der Wahl zu tun“. Baschkortostans Präsident Murtasa Rachimow war im Dezember vergangenen Jahres mit 80 Prozent wieder gewählt worden, das Ogni Ufy war aber von einem seiner politischen Gegner unterstützt worden. „Für mich ist das bares Geld und echte Chancen, die mir dadurch verloren gehen“, klagt die Unternehmerin aus Dresden.
Jens Buchhaupt und Christian Mitterbauer, die eigentlich zum Kochen und Bierbrauen in den Ural gekommen waren, engagierten sich nun anderweitig für ihren Arbeitgeber. Sie schrieben Briefe an die Bundesregierung, kontaktierten deutsche Politiker. Sie veranstalteten Konzerte vor dem „Feuerpalast“ und spannten Plakate, schwangen feurige Reden und schimpften öffentlich auf die Behörden: „Überall auf der Welt ist eine Stadt froh, wenn man für 350 Leute Arbeit schafft, nur hier ist das nicht möglich“, schmetterte Mitterbauer auf einer dieser Veranstaltungen.
Als der deutsche Botschafter in Russland, Hans-Friedrich von Ploetz, im Mai anlässlich der Deutschen Tage in Baschkortostan in Ufa war, kam der Stein endlich ins Rollen. Vier Wochen später erhielt das „Ogni Ufy“ die letzte zur Eröffnung notwendige Unterschrift. „Was nun wirklich der Auslöser war, kann ich auch nicht genau sagen“, so Mitterbauer. Irgendwie habe sich nun doch alles zum Guten gewendet und die Zeit, die man gewartet hat, scheint von einem auf den anderen Tag vergessen. Jetzt würden die ehemaligen Angestellten zurückgeholt und dann eine nach der anderen Lokalität eröffnet. „Jetzt können wir endlich richtig arbeiten“, freut sich der Braumeister.

ENDE 

Dana Ritzmann


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