Ukraine

Provokateure mit Kalaschnikows

„Wir sind zusammen, wir sind viele und wir lassen uns nicht besiegen!“, rufen die Demonstranten auf dem Theaterplatz in Uschgorod. Wie in vielen anderen Städten der Ukraine gehen auch hier an der slowakisch-ukrainischen Grenze jeden Tag mehr und mehr Menschen auf die Straße, um mit friedlichen Mitteln gegen die offensichtlichen Fälschungen bei der Präsidentenwahl zu protestieren. Die Stimmung ist gelöst und euphorisch. Niemand schlägt über die Stränge. Nicht einmal der Rasen, dessen Betreten verboten ist, wird berührt.

Doch seit Sonnabend warnen die Organisatoren des Protests auf eilig verteilten Flugblättern vor Provokationen der regierungstreuen Gegenseite. „Denke daran, unsere Aktionen sind ausschließlich friedlich.“, ist da zu lesen. Und: „Folge auf keinen Fall Aufrufen zur Gewalt. Lass dich nicht in Schlägereien mit der Gegenseite oder in Konflikte mit der Polizei verwickeln. Lass Provokateure nicht in die Mitte des Protestzuges eindringen, am Rand und allein können sie nichts ausrichten.“

Diese Warnungen kommen nicht von ungefähr. Während einer Demonstration am vergangenen Freitag, an der mehr als 20 000 Menschen teilnahmen, wurden in der Nähe des Fußballstadions 38 Personen aus Donezk von der Polizei festgenommen, die in ihren Autos ein ganzes Waffenarsenal nach Uschgorod gebracht hatten. Die Beamten beschlagnahmten vollkommen neue Baseballschläger, Messer, Pistolen, Zielfeuergewehre und sogar Maschinengewehre des Typs Kalaschnikow sowie eine große Menge an Munition.

Außerdem fand man bei den jungen Leuten eine Liste mit den Namen und Adressen führender Oppositionspolitiker und der Vertrauenspersonen des Oppositionsführers Viktor Juschtschenkos in Uschgorod. Offenbar warteten sie auf eine Gelegenheit, sich dem Protestzug anzuschließen und eine gewalttätige Auseinandersetzung zu provozieren. Das schnelle Eingreifen der Polizei konnte das verhindern. Die Stadt Donezk im Osten der Ukraine, mehr als 800 Kilometer entfernt von Uschgorod, gilt als Hochburg von Wiktor Janukowitsch, der zum offiziellen Sieger der Präsidentenwahl verkündet worden war.

Am Sonnabend drehte sich das Bild. Seit diesem Tag befinden sich die Polizeibeamten, die die Verhaftungen der Provokateure vorgenommen hatten, selbst in Untersuchungshaft. Ihnen wird vorgeworfen, die jungen Leute aus Donezk nach der Festnahme misshandelt zu haben. Offensichtlich werden die Polizisten von regierungstreuen Vorgesetzten unter Druck gesetzt.

Viele Oppositionsanhänger reagierten bestürzt und ungläubig auf diese Nachricht. Per Handy wurden in kürzester Zeit über 2000 Menschen mobilisiert, die sich zu einer Protestdemonstration vor dem Verwaltungsgebäude der Polizei versammelten. Drei Stunden harrten sie in der Kälte aus und riefen Losungen wie „Ruhm den aufrichtigen Polizisten!“

Zu dieser Zeit waren die Provokateure bereits mit der Maßgabe entlassen worden, sofort nach Donezk zurückzukehren. Die Demonstranten befürchten jedoch, dass sie lediglich in die benachbarte Stadt Mukatschewo gefahren sind und sich dort auf neue Provokationen vorbereiten. Die inhaftierten Polizisten sollen ab Montag verhört werden.

Auch gegen die streikenden Studenten geht die Polizeibehörde in Uschgorod vor: Am Samstag wurde bekannt, dass ein Befehl an die Universität erging, alle streikenden Studenten zu melden.


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