Russland

Deutsche Hausmeister fegen durch Sankt Petersburg


von Anna Litvinenko (E-Mail: litvinanna@mail.ru; Tel.: 007 812 325 16 98)


St. Petersburg (n-ost) „Wir haben Angst vor der Zukunft“, sagt Straßenkehrerin Natalia Pavlowa (Name von der Redaktion geändert). Sie sitzt zusammen mit zwei Kollegen in einer kleinen Straßenkehrer-Bude am Rimskogo Korsakova Prospekt und raucht. „Den Deutschen sind, glaube ich, die Besonderheiten der russischen Kommunalwirtschaft nicht bewusst.“ Die 32-Jährige wohnt und arbeitet im Stadtteil Kolomna des Admiraltejskij Bezirks, wo im Herbst 2004 ein für Russland einmaliges Experiment angelaufen ist. Die „Peter Dussmann GmbH“, Tochterfirma des in Berlin beheimateten Service-Konzerns, der unter anderem auch das bekannte Kulturkaufhaus betreibt, wird in den nächsten zehn Jahren 104 Wohnhäuser des Bezirks verwalten. „Das wird ein Modell-Bezirk,“ glaubt Valentina Matwienko, Gouverneurin von Sankt Petersburg. „Dieses Beispiel beweist, dass der Kommunalhaushalt bzw. die Kommunalwirtschaft profitabel wirtschaften können.“

Der Admiraltejskij Bezirk, dessen Bauten teilweise noch aus dem 18. Jahrhundert stammen, zählt zu den am schlechtesten erhaltenen Stadtteilen von St. Petersburg. Hier wurde im August und September 2003 für den deutschen Film „Der Untergang“ gedreht, die Kulisse diente jenen Szenen, die das verwüstete Berlin in den letzten Kriegstagen zeigten. Die Vertreter des deutschen Service-Unternehmens sind nun voller Optimismus. „Wir haben erfahren, dass es an diesem Ort, am Fluss Prjazhka, zur Zeit Katharinas der Großen eine deutsche Kolonie gab,“ erzählt Alexander Wolodkow, Generaldirektor der „Peter Dussmann GmbH“. „Wir beleben in diesem Bezirk also die deutsche Tradition wieder und machen daraus ein Muster-Objekt.“

Ein Vertrag mit der Sankt Petersburger Stadtverwaltung gibt der deutschen Service-Firma bis zum Jahr 2014 Zeit, um die großen Pläne zu verwirklichen. In den ersten zwei Jahren will die Dussmann-Gruppe zwei Millionen Euro in das Projekt investieren. Zuerst sollen die längst verrosteten Abwasserrohre ersetzt, Dächer und Treppenhäuser repariert sowie Wasserzähler in den Wohnungen installiert werden. „In unserer Kommunalwohnung leben 27 Menschen“, sagt Natalia Pavlowa. „Da kann ich mir kaum vorstellen, wie wir die Wasserrechnung aufteilen sollen – es wird nur noch Streit geben. Ich glaube, die Deutschen können sich solche Lebensumstände gar nicht vorstellen“, runzelt die 32-jährige Straßenkehrerin die Stirn.

Nur wenige Kinder und Jugendliche laufen einem auf den Straßen und in den Höfen von Kolomna über den Weg. „Das ist ein Rentner-Bezirk“, erklärt Elena Krasnowa, die in der Mjasnaja Straße einkauft. Die 43-jährige Kinderärztin meint, dass die Leute eher konservativ und wenig reformenbegeistert seien. Sie würden glauben, dass die deutsche Firma nur Profit machen wolle und die Preise für Dienstleistungen steigen werden.

„Wir haben uns der Stadt gegenüber verpflichtet, die Kommunalpreise innerhalb der vereinbarten Tarife zu halten und das werden wir auch tun“, versichert Alexander Wolodkow. Zur Zeit betragen die pauschalen Kommunalkosten für eine Zwei-Zimmerwohnung in Petersburg etwa 1500 Rubel (ca. 40 Euro). Der Generaldirektor rechnet damit, dass das Projekt schon nach drei Jahren in den schwarzen Zahlen ist. Zur größten Einnahmequelle soll die Vermietung von Büroräumen werden. „Peter Dussmann will in Kolomna einen Wohnbezirk nach westlichen Standards errichten, um viele Firmen anzulocken“, sagt Wladimir Konjuchow, Vorsitzender des Fonds „Edinstwo“ („Einheit“), der im Vorfeld die Rahmenbedingungen für Dussmann in der zweitgrößten russischen Stadt erforscht und bewertet hat. Außerdem wolle das Unternehmen die kommunalen Dienstleistungen nach deutschem Vorbild reorganisieren, moderne Technologien einführen und damit in Zukunft viel Geld sparen.

In den Petersburger Treppenhäusern, die seit Dostojewskijs Zeiten mit schmutzigen Lumpen gereinigt werden, soll demnächst ein hochmoderner Staubsauger dröhnen. „Wir werden die Effizienz enorm steigern und dadurch auf viele Arbeitskräfte verzichten“, stellt Wolodkow in Aussicht. „Statt der 50 oder 100 Leute, die heute im Kommunalsystem des Bezirks tätig sind und einen winzigen Lohn von 3 000 Rubel (ca. 80 Euro) beziehen, werden wir vier hoch qualifizierte junge Leute einstellen und die auch anständig bezahlen.“

Dussmann will zudem in Russland den Beruf des „Haus-masters“ („Hausmeisters“) einführen, den es bis dato noch nicht gegeben hat. Im Bezirk Kolomna sollen Hausmeister bald die einfachen Straßenkehrer ersetzen. „Ich weiß nicht, was „Haus-master“ bedeuten soll – ein komisches Wort“, lächelt Natalia Pavlowa. „Man sagt, dass es keine Kündigungen geben werde“, fügt sie schüchtern hinzu. Sie zieht ihre schmutzigen Handschuhe an, nimmt ihre ausgefranste Rute und geht von der Straßenkehrer-Bude auf den schäbigen Hof hinaus.
Die Verwaltung des Bezirks setzt große Hoffnungen in das Experiment. „Wenn unsere deutschen Partner es fertig bringen, Ordnung in diesem Gebiet zu schaffen, dann werden sie auch von der Bevölkerung unterstützt“, sagte Junis Lukmanow, Verwaltungs-Vorsitzender des Admiraltejskij Bezirks, gegenüber der Zeitung „Petersburg Stroiteljny“.

Einen kleinen Teil der Bevölkerung hat das deutsche Unternehmen schon jetzt für sich gewonnen. „Ich bin im Prinzip für das Projekt,“ sagt die Anwohnerin Krasnowa. „Schlimmer kann es ja nicht werden.“

*** Ende *** 
Anna Litvinenko


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