Korruption im polnischen Gesundheitswesen
In einem langen, schmalen Flur in einem Danziger Krankenhaus stehen die Patienten Schlange. Es gibt keinen freien Sitzplatz mehr. Zwei Bänke an den Wänden sind voll besetzt. Auch Jolanta Cholewinska muss trotz ihrer Rückenschmerzen geduldig und stehend warten. Ihr kann nur ein guter Neurochirurg helfen. Die Wartezeit für einen Spezialisten beträgt momentan vier Monate. Darum will die 51-Jährige Frührentnerin versuchen, „außer der Reihe” behandelt zu werden. Wenn man bezahlt, kommt man sofort dran: „Während der ambulanten Sprechstunde werden auch Privatpatienten aufgenommen. Für eine Standardbehandlung ohne zusätzliche Untersuchungen zahle ich 50 Zloty (etwa 13 Euro)“.
Jolanta Cholewinska erhält monatlich etwa 560 Zloty Rente, umgerechnet 140 Euro. Über 30 Jahre lang hat sie dafür gearbeitet. Das reicht aber nicht für die üblichen Bestechungen im Gesundheitswesen. Ihre Kreislaufprobleme und gynäkologische Beschwerden muss sie regelmäßig von einem Spezialisten untersuchen lassen. Mit öffentlichen Krankenhäusern hat sie nur schlechte Erfahrungen gemacht. Vor ein paar Monaten fiel sie auf den Rücken. Auf einer Danziger Notaufnahme wurde eine falsche Diagnose gestellt. „Die Ärzte waren so gnädig mich aufzunehmen. Es wurde mir gesagt, dass ich zu gut aussehe, um wirklich krank zu sein“. Nach dem sie endlich geröngt wurde, stellte der Arzt fest, dass alles in Ordnung sei, so wurde sie einfach nach Hause geschickt. Nach zwei Wochen mit unerträglichen Schmerzen hatte sie „privat”eine genauere Untersuchung machen lassen. „Das hat mich etwa 100 Euro gekostet. Die Diagnose lautete: zwei gebrochene Wirbel“.
96 Prozent der Polen glauben, dass Bestechung das einzige Mittel für eine korrekte und schnelle Behandlung sei, so eine Studie des Meinungsforschungsinstituts CBOS des vergangenen Jahres. Diese Zahlen bestätigt auch Jolanta Cholewinska. Als ihre Tochter operiert werden musste, verlangte der Arzt ganz offen Schmiergeld. Nach der OP steckte sie ihm einen Umschlag in die Tasche, „Er hat ihn aufgemacht und zu mir gesagt, dass es zu wenig ist.“, erzählt die Frau.
Die Verhältnisse im Gesundheitswesen sind auf Regierungsebene wohl bekannt. Doch es wird wenig dagegen getan. Auch vor Gericht landet das Thema nur selten. „Es gibt hier keine Fälle, in denen Ärzte Schmiergeld für die Aufnahme ins Krankenhaus oder für eine Operation nehmen. Solche Verfahren haben wir hier nicht.“, bestätigt Konrad Kornatowski, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Danzig.
Nur selten brechen Patienten ihr Schweigen, wie in der nordpolnischen Stadt Bydgoszcz. Dort wurde ein Neurochirurg nach mehreren Anzeigen verhaftet. Zum ersten Mal wurde Heriodon K. Anfang Januar festgenommen, nach dem einer seinen Patientinnen ausgesagt hatte, sie hätte ihm 4000 Zloty (ca. 1000 Euro) Schmiergeld für eine Operation bezahlen müssen. Anschließend meldeten sich bei der Polizei weitere Betroffene. Heriodon K. steckte sich demnach mindestens 60.000 Zloty Bestechungsgelder ein, umgerechnet etwa 15000 Euro. Der Arzt wartet nun auf den Prozessbeginn.
Auch in Krakau wird sich ein 40 jähriger Gynäkologe vor Gericht verantworten müssen. Der polnischen Zeitung „Dziennik Polski“ nach hatte der Arzt von seinen Patienten Gebühren verlangt, die eigentlich vom Staat getragen werden. Die Staatsanwaltschaft ermittelte, dass er die Patienten während seines Dienstes im Krankenhaus privat behandelt hatte. Obwohl der staatlich finanzierte Technik nutzte, kassierte er bei jeder Behandlung etwa sieben bis zehn Euro.
Aber nicht nur für ärztliche Behandlungen wird in Polen geschmiert. Bar bezahlt wird auch für gefälschte ärztliche Atteste, etwa um die Rente zu manipulieren. Auch Wehrdienstpflichtige wissen, was es kostet, um in die Kategorie „D“– das heißt eine Unfähigkeitsbescheinigung zu bekommen. Etwa 2000-7000 Zloty, also ein bis drei Monatsgehälter, nahm ein schlesischer Arzt bei Kattowice für den Deal, so Jacek Pytel von der schlesischen Polizei. Da der Schmu aufflog, war die Dienstbefreiung nur vorübergehend gültig.