Ukraine

Ruslana – Schlagerdiva in der politischen Sackgasse

Seit ihrem Sieg bei der letztjährigen Eurovision gilt Ruslana Lyschitschko als Symbol der Ukraine. Zumal, nachdem sie sich im vergangenen Herbst an der orangefarbenen Revolution beteiligte und gegen Wahlfälschungen demonstrierte. Doch Ruslana ist keine so eindeutige Figur wie sie auf den ersten Blick scheint. Vor allem ihr politisches Engagement ist wohl nicht so selbstlos wie sie gern behauptet.

Die gebürtige Lembergerin, die eine professionelle Musikausbildung genoss, trat zum ersten Mal 1996, im weißrussischen Witebsk ins Rampenlicht. Sie gewann den alljährlichen Musikwettbewerb „Slawjanskij Bazaar“, weil sie bei der Wahl ihrer persönlichen musikalischen Stilrichtung ein gutes Gespür bewies: Nach dem Zerfall der Sowjetunion kam die Volksmusik der ehemaligen Sowjetvölker groß in Mode. Und Ruslana besann sich auf ihre angeblich familiären Wurzeln, auf das Karpatenvolk der Huzulen. Sie wurde zur ‚wilden Tochter der Karpaten’. Ob Ruslanas tatsächlich huzulische Vorfahren hat, hat bisher niemand überprüft. Bekannt ist lediglich, dass Ruslanas Vater aus der Nähe des westukrainischen Iwano-Frankiwsk stammt.

Obwohl Ruslana eingängige Musik mit relativ simplem Gehalt machte, setzte sie sich von den sonst recht kitschigen postsowjetischen Ethno-Klängen ab. Vor allem dürften es ihre professionell gemachten Video-Clips gewesen sein, die die Zahl der Ruslana-Fans immer größer werden ließen. Darin präsentierte sich die kleine ‚Ungezähmte’ am Gipfel eines Karpatenberges –umweht von Bergwinden, umhüllt von Nebelwolken, das Haar nach allen Seiten fliegend. Dabei klopfte sie wild aufs Tamburin, das exotische Schlagzeug der Huzulen. Wirklich etwas ganz anderes! 2000 wurde Ruslana in ihrer Heimat zur Pop-Künsterin des Jahres nominiert.

Doch der Stern der kleinen Wilden strahlt längst nicht mehr so hell. In der Ukraine heißt es hinter vorgehaltener Hand, seit dem Sieg in Istanbul hätte Ruslana längst etwas produzieren müssen, dass nicht wie eine Kopie von „Wild Dances“ klingt. Andere meinen, Ruslana habe in erster Linie einen Imagewechsel nötig. Aber die Sängerin winkt ab: „Ich kann mein zu Extremen neigendes, unruhiges Herz nicht bezähmen. Selbst Balladen würden bei mir wild ausfallen.“

Für Kreativität war Ruslana nach ihrem Sieg in Istanbul freilich nicht viel Zeit geblieben. Präsidentschaftswahlen standen ins Haus, und die ‚ Huzulentochter’ wurde Hals über Kopf ins politische Geschehen hineingezogen. Heute behauptet die beinahe 31-Jährige, ihr Sieg in der Türkei sei sozusagen die Vorstufe der orangefarbenen Revolution gewesen: „Meine Band und ich haben in Istanbul die ganze Welt auf die Ukraine aufmerksam gemacht. Dadurch haben unsere Menschen mehr Selbstbewusstsein erlangt und Zuversicht in ihre eigenen Kräfte bekommen.“

In der Tat: Ruslana hat gute Werbung für ihr Land gemacht und der Ukraine endlich internationale Aufmerksamkeit beschert. Doch Ruslana als Vorbotin der demokratischen Erhebung? Diese Selbstdarstellung lässt Ukrainer eher schmunzeln. Denn zunächst fand sich die ‚kleine Wilde’, die sich selbst als unpolitisch bezeichnet, im andern Lager wieder. Sie wurde zur Beraterin in Sachen Kunst bei Premierminister Wiktor Janukowitsch, der dem Oppositionsführer Wiktor Juschtschenko bei der Präsidentschaftswahl gegenüberstand. Welche Funktion Ruslana dabei für die Regierung ausübte, wurde der Öffentlichkeit nie erklärt. Gekrönt wurde dieses Spiel mit der Macht vom inzwischen berühmten Konzert in Donezk, bei dem Ruslana mit dem Premierminister ein Duett anstimmte. Die spöttischen bis empörten Reaktionen in der Presse brachten Ruslana dazu, der Politik vorübergehend den Rücken zu kehren.

Bis zum November 2004. Dass Ruslana „eine der ersten auf dem Maidan“ – dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz – war, wie sie heute sagt, stimmt nicht. Sie trat erst auf die Bühne, als die Demonstrationen sich als friedliche und gesellschaftlich breit akzeptierte Massenveranstaltungen herausgestellt hatten. Als sich viele Musiker schon aus PR-Gründen um einen Auftritt auf dem Maidan drängten. Wohl um dennoch Akzente zu setzen, verkündete Ruslana einen Hungerstreik. Die ‚Huzulentochter’ habe eine Diät dringend nötig, höhnten die Böswilligen. Allerdings hielt die körperlich unvorbereitete Sängerin nur zwei Tage durch. Dennoch tourte sie heuer auch als Revolutions-Prinzessin und dementsprechend erfolgreich durch Europa.

Am Vorabend des 50. Grand-Prix scheinen die Ukrainer Ruslana ihre vielen politischen Fauxpas verziehen zu haben. Auf den Kiewer Souvenirständen werden Poster, Pins und T-Shirts auch mit Ruslanas Abbild angepriesen – direkt neben den, Dauerverkaufsschlagern’ Juschtschenko und Timoschenko. Und wer weiß – schon gibt es Gerüchte, dass die angeblich unpolitische Sängerin bald selbst auf einer ukrainischen Parteiliste auftaucht.


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