Dresdner Buchstaben-Alphabet bald auf kyrillisch?
St. Petersburg (n-ost). Schon der Zar in St. Petersburg soll Russisch Brot, die keksähnliche Knabberei aus Eiweiß, Zucker, Weizenmehl und Karamellsirup, genossen haben. Doch die "Bukwui", wie die süßen Buchstaben in ihrem Herkunftsland heißen, sind heute in Russland völlig unbekannt. Damit Petersburger Süßschnäbel neben den typisch russischen Piroggen bald auch wieder das Knusper-Alphabet genießen können, hat sich der Dresdner Backwarenunternehmer Hartmut Quendt in der Partnerstadt an der Newa umgeschaut.
In gelbem Jackett, in der Hand drei Plastiktaschen voll Russisch Brot und andere Dresdner Delikatessen, besuchte er vergangene Woche verschiedene Petersburger Bäckereibetriebe. "Ich will das Russisch Brot hier verkaufen, denn das ist schließlich sein Herkunftsort", sagt Hartmut Quendt. Das Dresdner Büro der sächsischen Wirtschaft in St. Petersburg hatte für den Unternehmer eine zweitägige Tour durch Petersburgs Bäckereiszene organisiert.
Im Konferenzraum des Betriebs "Obuchowski Chleb" vor den Toren der Stadt reiht der Dresdner sein Sortiment auf. Generaldirektor Michael Israilewitsch Fuchs prüft die goldfarbenen Buchstaben fachmännisch und probiert vom Dresdner Stollen. Derweil bringt seine Assistentin ein Tablett gefüllter russischer Teigtaschen, duftend-frisch aus dem Ofen. Hartmut Quendt lobt die Qualität. Später geht es um Vorteig, Wassergehalt, fachgemäße Trocknung, Verpackungstechnik und Vertriebswege für Backwaren.
Das Rezept für Russisch Brot kommt ursprünglich aus St. Petersburg, sagt Hartmut Quendt. Um 1844 soll der Dresdner Bäckergeselle Ferdinand Wilhelm Hanke die Rezeptur von der Walz aus der Zarenstadt in die sächsische Heimat mitgebracht haben. Die "Bukwui" waren damals in St. Petersburg sehr beliebt. Hanke hatte sie auf Petersburgs Prachtmeile, dem Newskij-Prospekt, backen gelernt und eröffnete in Dresden gleich nach seiner Rückkehr eine "Deutsche & Russische Bäckerei".
Doch bis die erste Tüte Dresdner Buchstabengebäcks auch heute wieder in russischen Läden stehen wird, sind laut Hartmut Quendt noch etliche nicht nur bürokratische Hürden zu nehmen. Und dass in Sachsen bald ein kyrillisches ABC für den russischen Markt gebacken wird, sei ziemlich ausgeschlossen: "Unsere Buchstaben bleiben wie sie sind, denn das lateinische Alphabet ist ja auch in Russland weit verbreitet."
***ENDE***
Infokasten:
Dr. Quendt und sein Russisch Brot
Nachdem im Zweiten Weltkrieg die Dresdner Produktionsanlagen für Russisch Brot zerstört waren, wurde das Buchstaben-Knabbergebäck erst seit 1959 wieder in der heutigen sächsischen Landeshauptstadt gebacken. Doch zur Wendezeit war die Zukunft der Produktion erneut ungewiss, als die Nachfrage wegbrach.
Der Dresdner Konditor und studierte Lebensmitteltechniker Hartmut Quendt rettete 1989 die von ihm mitentwickelte Anlage zur Fertigung von Russisch Brot vor der Verschrottung. Seit 1991 wird Russisch Brot wieder in Dresden hergestellt, unter dem Namen der neugegründeten Dr. Quendt Backwaren GmbH. Im Betrieb werden drei sächsische Traditionsartikel, Dresdner Christstollen, Dominosteine und Russisch Brot, produziert.
Cornelia Riedel