Der Präsident stand Pate
Moskau (n-ost). Seit einem Jahr ist die deutsche Supermarktkette Rewe mit „Billa“ auf dem russischen Markt und schaut äußerst optimistisch in die Zukunft. Mit einem Marktanteil von 2,5 Prozent in Moskau sind die Chancen für Wachstum praktisch riesig.
Auf den ersten Blick sieht der Billa-Markt an der Prokatnaja Straße im Osten Moskaus wie ein ganz normaler Supermarkt aus: Ein riesiger Namenszug zeigt den Weg zum Parkplatz, gelbe Lettern weisen die Alu-Halle als Supermarkt aus und die klimatisierte Luft lädt schon beim ersten Schritt in den Eingangsbereich zum Verweilen ein. Dann findet sich der Kunde inmitten von Tomaten, Paprika und Erdbeeren wieder, an die sich das Joghurtregal anschließt, dann die Fleischtheke und der Bäckerstand. Das „bewährte Frischekonzept“ nennen die Betreiber von Billa die typische Anordnung der Produkte. Innerhalb des Frischekarrees stehen, wie sonst auch, die Regale mit Backzutaten und Bratpfannen, Drogerieartikeln, Süßigkeiten und Spirituosen. Auf den Regalen türmen sich Kisten und Verpackungen, das sogenannte „Oberlager“, das Stauraum und Personal sparen soll, erklärt Stefan Gesslbauer, Finanzchef der Billa-Russland in Moskau, die im vergangenen Jahr als ein Joint Venture der deutschen Rewe-Gruppe und der russischen Marta-Holding gegründet wurde.
Präsident Putin und Bundeskanzler Schröder standen Pate, als die Verträge im Juli 2004 in Moskau besiegelt wurden und heute, ein Jahr später zeigt sich der Rewe-Vorstandschef Achim Egner äußerst zufrieden und optimistisch. Man habe bewusst das lokale Know-how eines russischen Unternehmens mit den Retail-Erfahrungen der Deutschen verbinden wollen, so Egner. „Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unserem heimischen Partner Marta, der sich auf Grund seiner profunden Marktkenntnisse auf Immobilien und die Beschaffung von Standorten konzentriert, hat unsere Erwartungen voll erfüllt und den Start in Russland erleichtert“, erklärt der Unternehmenschef. „Russland ist und bleibt der attraktivste Markt für Rewe.“ Noch in diesem Jahr sollen um die sieben Märkte in Moskau eröffnet werden, im kommenden Jahr will man sich in die Regionen wagen, zuerst nach St. Petersburg, dann aber auch in andere Großstädte. Zwischen 50 und 60 Millionen Euro seien an Investitionen geplant, bisher sind etwa 130 Millionen in die Expansion nach Russland geflossen. Das Umsatzvolumen von 250 Millionen Euro in Moskau sei für das erste Jahr äußerst zufriedenstellend, so Egner. Insgesamt hatte Rewe im vergangenen Jahr seinen Auslandsumsatz um 13 Prozent auf 11,3 Milliarden Euro gesteigert und verdiente damit mehr als ein Viertel seines Geldes in Osteuropa.
Die Kompetenzen, die das Unternehmen in den vergangenen Jahren dort beim Aufbau eines eigenen Supermarktnetzes gesammelt hat, werden jetzt in Russland genutzt. So kommen die ausländischen Manager und Experten, die derzeit in Russland tätig sind aus Bulgarien, Rumänien, der Slowakei, der Ukraine und aus Österreich, wo Billa, die Marke mit der Rewe ins Ausland geht, beheimatet ist. Billa wurde 1953 von einem Österreicher als Drogerie gegründet, wuchs zur größten Lebensmittelkette Österreichs und wurde 1996 von Rewe gekauft. Die Zusammenarbeit zwischen Rewe und Marta kam auf Initiative der russischen Holding zustande, die zuvor mit Spar kooperiert hatte, aber ohne langfristige Erfolge. Jetzt werden in Moskau die früheren Spar- und Stolitza-Läden umgebaut und im gelb-roten Billa-Design wieder eröffnet.
Trotzdem hat Billa in Russland mit typisch russischen Problemen zu kämpfen. So erzählt Gesslbauer, dass sich gerade ein ganzer Schwung Kassiererinnen verabschiedet hat – für drei Monate auf die Datscha. Auch die Arbeitseinstellung der Mitarbeiter sei noch immer befremdlich: Von den Bauarbeitern bis zum Fleischermeister würden die Leute nur das machen, was ihnen gesagt wird, ohne aus Eigeninitiative eine andere anfallende Tätigkeiten gleich mit zu erledigen. Allerdings weiß Schenk, dass man oft nur die besten finden muss, die arbeiten dann auch gut. Das allerdings erfordere Zeit, Geduld und ständige Kontrolle. In Bezug auf die Konkurrenz mit den russischen Supermarktketten klagt Schenk, dass man „weiß gegen grau oder schwarz“ arbeite. Noch immer würden bei der Konkurrenz Mitarbeiter lediglich zum Mindestlohn beschäftigt, ohne Sozialabgaben und Steuerpflicht. Die deutsche Firma beschäftigt ihre Angestellten alle offiziell und muss sich die zusätzlichen Kosten über den Umsatz reinholen. Allerdings sei die offensive Steuerpolitik der Regierung zu merken und eine Veränderung auch in diesem Bereich sichtbar, so Schenk. Nicht weniger problematisch sei der geringe Bekanntheitsgrad der Marke in Moskau.
Obwohl es bereits 18 Märkte in der russischen Hauptstadt gibt – in der ganzen Ukraine gibt es insgesamt nur acht – finden sie sich bislang überwiegend am Stadtrand, nur ein kleiner relativ Innenstadt nah. In der jeweiligen Umgebung gäbe es eine offensive Werbestrategie, mit Flugblättern und Plakaten. Aber bei weniger als 40 bis 50 Märkten in der ganzen Stadt würde sich eine großflächige Kampagne nicht rechnen, erklärt Schenk. Zumal das Konzept der Supermärkte darauf beruhe, dass sie in „Walking Distance“ von 500 bis 1000 Meter zu erreichen sein müssen, in einem Wohngebiet oder an einer Metrostation. Da liegt es nicht nahe, die Kunden aus einem anderen Stadtteil anzulocken. Stattdessen soll irgendwann das gesamte Stadtgebiet erschlossen sein.
Mit der Eröffnung einer eigenen Rewe-Repräsentanz Anfang Juli im hinteren Teil des Prokatnaja-Marktes demonstriere man den Willen für ein langfristiges Engagement in Russland, erklärte Vorstandschef Egner. „Billa soll eine der besten Supermarktketten in Russland werden“, fügt Georgij Trefilow, Präsident der Partnergruppe Marta hinzu.
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Dana Ritzmann