Die Luft reicht nur bis Sonnabend
Moskau (n-ost) - Wie lange für die sieben Männer im russischen Mini-U-Boot „AS 28“ die Luft reicht, darüber gibt es widersprüchliche Angaben. Flotten-Sprecher Igor Dygalow erklärte am Freitag um 14 Uhr, die Luft reiche noch „einen Tag“. Später teilte Admiral Viktor Fjodorow, Kommandeur der russischen Pazifik-Flotte, mit, die Luft reiche „länger als einen Tag“.
Die Schraube des Mini-Rettungs-U-Boot vom Typ „Pris“ hatte sich nach offiziellen Angaben am Donnerstag 75 Kilometer vor der Küste der russischen Halbinsel Kamtschatka bei einer Militär-Übung in einem verlorengegangenen Schleppnetz verfangen und kann sich nicht fortbewegen. Zu welcher exakten Zeit sich das Unglück ereignet hat, teilte die Flotten-Führung nicht mit. Das Mini-U-Boot befindet sich in 190 Meter Tiefe, liegt aber nicht auf Grund.
Nach Angaben von Flotten-Sprecher Dygalow sind die sieben eingeschlossenen Männer in „zufriedenstellender Verfassung“, Panik gäbe es nicht an Bord. Alle halbe Stunde stehe man mit den Eingeschlossenen in Funkkontakt, teilte die Flottenführung mit. In „Radio Echo Moskwy“ erklärte Dygalow, man wolle nicht das Eintreffen ausländischer Hilfe abwarten sondern noch im Laufe des Freitages mit einer Rettungsoperation beginnen. Ob diese zum Erfolg führte, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.
Dygalow teilte mit, dass man den Eingeschlossenen die Anweisung gegeben habe, sparsam mit der Elektroenergie umzugehen und sich möglichst wenig zu bewegen. Für die sieben Eingeschlossenen in dem 13,5 Meter langen Titan-U-Boot wird es schwierig sein, die Anweisungen von oben einzuhalten. Die Temperatur in dem Mini-U-Boot beträgt nur fünf Grad. Die Männer haben zwar besondere Wärme-Anzüge, aber sie stehen zweifellos unter großem Stress und werden sich bewegen wollen, um sich warm zu halten.
Bei dem Versuch sich aus dem Fischernetz zu befreien, hatte die Besatzung den Motor offenbar auf Hochtouren laufen lassen, erklärte der ehemalige Kommandeur der russischen Nordmeerflotte Wjatschelswa Popow. Von daher hatten sich die Vorräte an Elektro-Energie, die normalerweise für fünf Tage reichen, stark verringert.
Am Freitag schleppten zwei russische Spezialschiffe Anker über den Meeresgrund. Man hofft, dass sich die Anker im U-Boot oder in dem Netz verfangen. So will man die „Pris“ wieder freibekommen. Am Ort des Unglücks kreuzten zehn russische Kriegsschiffe. Außerdem wurde ein zweites Mini-U-Boot der „Pris“-Klasse zum Rettungseinsatz vorbereitet. Das U-Boot befinde sich auf einem nahegelegenen Marinestützpunkt.
Die Führung der russischen Flotte hat aus der „Kursk“-Katastrophe gelernt, die sich vor fast genau fünf Jahren am 12. August 2000 ereignete. Damals hatte man aus angeblichen Geheimhaltungsgründen ausländische Hilfe bei der Rettung der U-Boot-Mannschaft abgelehnt. Diesmal wurde unmittelbar nach dem Unglück ein Hilfegesuch an verschiedene Länder gesandt. Die USA, Japan und Großbritannien wollen Rettungsgerät und Schiffe schicken. Die Schiffe der USA und Japan befanden sich jedoch am Freitag noch mehrere Tausend Kilometer vom Unglücksort entfernt. Die Schiffe aus Japan, darunter ein U-Boot-Rettungsschiff, ein Versorgungsschiff und zwei Minenräumboote, werden nach russischen Angaben erst Montag früh am Unglücksort eintreffen. Die USA wollen das Unterwasserrettungsgerät vom Typ Scorpio von der Militärbasis San Diego mit einem Flugzeug zur Unglücksstelle schaffen. Die Überführung dauert 13 Stunden. Am Sonnabend soll ein britisches Flugzeug mit Rettungsgerät in der fernöstlichen Region eintreffen. Bisher gibt es keinerlei Angaben darüber, wie das russische oder ausländische Rettungsgerät eingesetzt genau werden soll.
Der russische U-Boot-Konstrukteur Stanislaw Lowkowski erklärte, die Rettungsarbeiten würden sehr schwierig werden, denn das Mini-U-Boot „AS 28“ sei als Rettungs-U-Boot konzipiert worden. Die Rettungs-Luke befinde sich an der Unterseite des Bootes. Wenn das Mini-U-Boot jetzt auf Grund gelaufen sei, könne es nur mit Unterwasserrobotern oder anderem Spezialgerät gerettet werden. Taucher können wegen der großen Tiefe nicht eingesetzt werden.
Am Freitag war das Wetter in der Unglücksregion gut, es herrschte kaum Wellengang. Doch für Sonnabend wird eine Wetterverschlechterung erwartet.
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Ulrich Heyden