Vogelgrippe breitet sich in Sibirien aus.
Moskau (n-ost) - Drei Wochen nach dem man in Sibirien die ersten Fälle von Vogelgrippe feststellte, überschlagen sich die russischen Experten mit unterschiedlichen Einschätzung und Prognosen. Während Russlands Chefarzt Gennadi Onischenko zunächst vor einer Panik warnte, zog er nun selbst Parallelen zu der Vogelgrippe die sich 2003 in Südostasien ausbreitete. 57 Menschen starben bisher an dieser Epidemie, 140 Millionen Vögel verendeten oder mussten getötet werden.
Der russische Chefarzt hält es für möglich, dass die Vogelgrippe, die jetzt in sechs russischen Gebieten in Südsibirien festgestellt wurde, sich über Wildenten und Zugvögel in den Kaukasus, die Ukraine bis hin nach Europa ausbreitet. Andere russische Experten verbreiten dagegen Optimismus. Wenn in zwei Wochen die Kälteperiode in Sibirien beginne, erledige sich das Problem von selbst.
Trotz zunächst beruhigender Prognosen breitet sich die Vogelgrippe in Russland immer weiter aus. Seit dem 21. Juli sind in Russland 10.000 Hühner und Enten an der Vogelgrippe gestorben. Etwa Hunderttausend Tiere in den von der Epidemie betroffenen Gebieten wurden vorsichtshalber getötet. Die Experten teilten mit, das Massensterben von Tieren in den betroffenen Gebieten gehe allmählich zurück. Doch am Wochenende wurde gemeldet, dass nun schon die sechste russische Region von Vogelgrippe betroffen ist. Im Dorf Oktjabrskoje im Gebiet Tscheljabinsk fand man 60 tote Hühner und Enten. Wie Andrej Gasilow, der Vizegouverneur des Gebiets mitteilte, fand man bei den toten Tieren den Vogelgrippen-Virus A H5 N1. Dieser Virus war auch Auslöser der Epidemie in Südostasien im Jahre 2003. Die örtlichen Behörden ordneten daraufhin die Tötung von 400 Hühner und Enten an. Weiteres Geflügel werde nur getötet, sofern man bei den Tieren den Virus feststelle, erklärte der Vize-Gouverneur des Gebietes Tscheljabinsk. Der betroffene Bezirk wurde unter Quarantäne gestellt. Der russische Fernsehkanal RTR zeigte wie Männer mit weißen Schutzanzügen und Atemmasken Gehege für Enten und Gänse mit Desinfektionsmittel besprühen. Tote Tiere wurden in schwarzen Plastiksäcken abtransportiert. Teilweise wird berichtet, die toten Tiere würden verbrannt.
Einige Hähnchenmastanstalten in den betroffenen Gebieten arbeiten weiter. Allerdings haben die Tiere keinen „Freigang“. In einigen Gebieten ordnete das Katastrophenministerium Beschränkunkungen beim Baden und Fischen an. In einzelnen Regionen wie Tatarstan und Moskau wurde der Verkauf von Geflügel aus den von der Epidemie betroffenen Gebieten verboten. Erfahrungsgemäß werden die Behörden aber kaum in der Lage sein, für die hundertprozentige Einhaltung dieses Verbots zu sorgen.
Alle von der Vogelgrippe betroffenen Gebiete im Süden Sibiriens, liegen an der Grenze zu Kasachstan. Experten vermuten, dass die Vogelgrippe von frei lebenden Enten nach Russland eingeschleppt wurde. Die „Moscow Times“ berichtete von einer Studie, nach der die neue Epidemie von einem Salzwassersee in China ausgeht.
Der Staat hat angekündigt Privatbauern und Unternehmen mit 100 bis 200 Rubel (2,8 bis 5,70 Euro) pro Huhn oder Truthahn zu entschädigen. Auf den Märkten kostet ein russisches Tiefkühlhähnchen 150 Rubel. Trotz der versprochenen Entschädigung haben die betroffenen Produzenten große Angst vor der Epidemie. So versuchte der Direktor der Hühnerfarm „Mammontow“ im Altai-Gebiet, den Tod von Hühnern zu verheimlichen. Die Staatsanwalt ermittelt nun gegen den Direktor. Der gesamte Bestand an 9.000 Hähnchen wurde getötet.
Bisher ist erst ein Mensch mit Verdacht auf Vogelgrippe in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Am Freitag wurde Maria Paschkowa, eine russische Fernseh-Journalistin, in die Infektionsklinik von Nowosibirsk eingeliefert. Paschkowa hatte in einer Quarantäne-Zone für den Sender RTR eine Reportage über die Vernichtung von Hühnern und Enten gemacht. Sie klagte über Grippe-Symptome. Mitte der Woche soll die Diagnose bekannt gegeben werden.
Im russischen Grippe-Zentrum hat man bereits einen Impfstoff gegen die Vogelgrippe für Menschen entwickelt. Das Mittel soll jetzt bei Mitarbeitern des Instituts getestet und ab Oktober massenhaft in den gefährdeten Gebieten in Sibirien eingesetzt werden.
Die entscheidende Herausforderung erwarte Russland in den Jahren 2007 und 2008, meint Oleg Kiseljow, Direktor des nationalen Grippe-Zentrums der Weltgesundheitsorganisation. Bis dahin sei der Vogelgrippen-Virus mutiert und könne von Mensch zu Mensch übertragen werden. Zu Zeit werde die Situation in Russland von der Weltgesundheitsorganisation nicht als besonders gefährlich eingeschätzt, erklärte der Experte. Bisher sind aber weder die Diagnose noch die Übertragungswege der Vogelgrippe ausreichend erforscht.
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Ulrich Heyden