Russland

Handys kommen als Ping-Pong-Bälle nach Russland


Moskau (n-ost) - Die russische Polizei hat wegen Korruption und Untätigkeit keinen guten Ruf. Doch manchmal ist sie überraschend aktiv. In dieser Woche beschlagnahmte ein Sonderkommando „K“ in Zusammenarbeit mit dem „Ermittlungskomitee“ des Innenministeriums zehn Lastzüge mit geschmuggelten Handys und Zubehör. Die Ware hatte einen Wert von zehn Millionen Dollar und ein Gewicht von 300 Tonnen. Moskauer Internet-Zeitungen rechneten sofort nach. Wenn ein Telefon inklusive Zubehör und Verpackung 300 Gramm wiegt, dann wurden etwa eine Million „Trubka´s“ („Röhrchen“, so heißen die Handys in der russischen Alltagssprache) konfisziert. Nach der Beschlagnahmung dieser großen Menge an Handys rechnen Experten bereits mit Preissteigerungen von 20 Prozent auf dem russischen Markt.

Die Handys erreichten Russland nicht über staubige Landstraßen sondern offenbar auf dem direkten Luftweg. „Die Schmuggelware wurde aus Finnland und Deutschland über Transportflugzeuge auf den Fracht-Terminal des Flughafens Scheremetjewo angeliefert“, heißt es in einer Presseerklärung des Innenministeriums. Kaum waren die Maschinen gelandet, wurden sogenannte „Ritejler“ (Zwischenhändler) aktiv. Diese lagerten die Ware, machten die Papiere für die Verzollung fertigt und lieferten dann weiter an die Großhändler. Als Importeure traten so genannte „Ein-Tages-Firmen“ auf. Diese Firmen waren auf Personen registriert, deren Pässe verloren gegangen waren. So schützten sich die an der Schmuggeloperation Beteiligten vor möglichen Strafverfahren.

Monatlich werden in Russland 2,3 Millionen Handys verkauft. Dabei handelt es sich ausschließlich um Importware. Wie Dmitri Janin, Vorsitzender der Konföderation zum Verbraucherschutz, gegenüber der Wirtschaftszeitung „Wedomosti“ erklärte, gelangen 90 Prozent aller Handys in Russland unter Umgehung des Zolls zum Anbieter. Beim Umgehen der Zollgebühren sind die Zwischenhändler einfallsreich. So werden Handys als Ping-Pong-Bälle oder andere Billigware deklariert. Dem Staat gehen auf diese Weise monatlich 2,5 Mrd. Rubel (71 Mio. Euro) an Zoll und Steuern verloren. Auf ein Handy, welches 200 Dollar kostet, müssen normalerweise zwanzig Prozent Zoll und 18 Prozent Mehrwertsteuer gezahlt werden.

Warum die russische Polizei gerade jetzt zuschlägt – die falsche Deklarierung von Importwaren wird schon seit Jahren praktiziert – ist bisher unklar. Beobachter vermuten, dass neue Anbieter auf den Markt drängen oder bestimmte Anbieter Konkurrenten verdrängen wollen und sich zu diesem Zweck mit der Polizei verbündet haben.


*** Ende ***



Ulrich Heyden


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