Russland

Wahlkampftaugliches Gastgeschenk

Moskau (n-ost) - Für den Bundeskanzler ist der heutige Besuch von Wladimir Putin eine angenehme Abwechslung im anstrengenden Wahlkampf. Denn der Freund aus Moskau hat ein wahlkampftaugliches Gastgeschenk im Gepäck. Im Beisein von Putin und Schröder soll in Berlin eine Vereinbarung über den Bau einer Ostsee-Gaspipeline unterschrieben werden. Die 1.200 km lange Gasröhre soll vom nordwestrussischen Wyborg am Boden der Ostsee bis nach Greifswald laufen und das sibirische Gasfeld Juschno-Russkoje unter Umgehung von Drittländern mit Westeuropa verbinden. Der Kanzler erklärte gestern vor dem Bundestag, die neue Pipeline sei ein großer Schritt zur Sicherstellung einer unabhängigen deutschen Energieversorgung.

Der weltweit größte Gasförderer - das russische Unternehmen „Gasprom“ - will die Ostsee-Pipeline zusammen mit der BASF-Tochter Wintershall und der E.ON-Tochter Ruhrgas realisieren. Gasprom ist an dem Projekt mit 51 Prozent, die beiden deutschen Unternehmen sind mit jeweils 24,5 Prozent beteiligt.

Die Kosten des Großprojekts liegen bei mindestens 4,6 Milliarden Euro. In Polen, wo man dem Projekt sehr kritisch gegenübersteht, erklärten Experten, die geplante Unterwasser-Röhre sei doppelt so teuer wie der Bau von „Jamal-2“, einer anfänglich von „Gasprom“ geplanten zweiten Gaspipeline durch Polen. In Warschau befürchtet man, der Kreml könne mit der Ostseepipeline Druck auf Polen und die Ukraine ausüben. Über die Territorien der beiden Länder wird das russische Gas bisher nach Westeuropa transportiert.

Der polnische Präsident Aleksander Kwasniewski erklärte, er habe „erhebliche Zweifel“ an dem Projekt. Die polnische Wochenzeitung „Wprost“ sprach gar von einem „Putin-Schröder-Pakt“. Mit dem Ribbentrop-Molotow-Pakt aus dem Jahre 1939 hatten Deutschland und Russland Polen faktisch unter sich aufgeteilt.

Die russische „Nesawisimaja Gaseta“ konstatierte, die Betreiber des Pipeline-Projekts seien in Eile, denn bei einer möglichen Kanzlerschaft von Angela Merkel könnte sich das Projekt „in die Länge ziehen“ oder Polen werde versuchen, sich in das Projekt „einzumischen“. Doch mit einem Stopp des Pipeline-Projekts rechnen selbst Vertreter der rechtsliberalen polnischen Opposition nicht. „Ich befürchte, dass sowohl die jetzige Bundesregierung als auch die nächste an der Pipeline festhalten wird,“ erklärte der rechtsliberale polnische Oppositionsführer Donald Tusk.

Auf einem Treffen mit Auslandskorrespondenten und Russland-Experten Anfang der Woche im Kreml versicherte Putin, er wisse um die Befürchtungen in Polen. Aber mit Politik habe das Projekt „nichts zu tun“. Die neue Pipeline verringere die Transportkosten. Damit sänken auch die Gaspreise für die Verbraucher in Europa. Russland wolle seinen Gas-Export erhöhen. Die bisherigen Pipelines werde man weiter nutzen. In Zukunft wolle man auch Gas nach Nordamerika und Ostasien exportieren.

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Ulrich Heyden


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