Russland

Moskau hat nichts gegen Merkel

Moskau (n-ost) - Das Wahlergebnis in Deutschland ist den Kommentatoren der russischen Hauptstadtzeitungen noch zu unübersichtlich. Einschätzungen zur Wahl in Deutschland suchte man deshalb am Montag in den russischen Zeitungen vergeblich. Nur der Kreml-kritische „Kommersant“ wagte zu kommentieren. „Gerhard Schröder hat gesiegt“, so das knappe Resümee. Der Plan des Kanzlers sei aufgegangen. Obwohl die Union zu Beginn des Wahlkampfes in den Umfragen weit vorne lag, habe Schröder sein Wahlkampagne „maximal aktiv“ geführt. Schließlich sei es ihm gelungen, „das Unmögliche zu erreichen“. Indem Schröder die Initiative zu Neuwahlen ergriff, habe er sich in den Augen der Deutschen als jemand gezeigt, der sich um das Schicksal des Landes sorgt und nicht an seinem Sessel klebt. Durch die vorgezogenen Neuwahlen sei Schröder einer unvermeidlichen Niederlage bei den Bundestagswahlen im nächsten Jahr zuvorgekommen. Mindestens sei ihm die Rolle eines starken Oppositionsführer sicher. Angela Merkel werde nun wahrscheinlich die von Schröder geführte SPD zur Bildung einer Großen Koalition einladen. Dass sich ein von Angela Merkel geführtes Deutschland mehr die Interessen des „neuen Europa“, d.h. insbesondere Polens und der baltischen Länder berücksichtigt, sei unwahrscheinlich. Die Zusammenarbeit im Energiebereich sei der bestimmende Faktor, der den realpolitischen Kurs Deutschlands gegenüber Russland bestimme. Diese Einschätzung bestätigte der deutsche Botschafter in Moskau, Walter Jürgen Schmidt gegenüber „Radio Echo Moskwy“. Schmidt sagte, die Ostsee-Gaspipeline, die Russland unter Umgehung Polens mit Deutschland verbinden soll, werde unabhängig vom Wahlausgang realisiert.

„Wenn jemand Russland zur Demokratie stößt, dann ist das nicht Deutschland,“ so der Amerika-freundliche „Kommersant“. Die einzige Neuerung in den russisch-deutschen Beziehungen werde sein, dass Kreml-Chef und Bundeskanzler statt Deutsch nun Russisch miteinander sprächen. Angela Merkel hatte 1979, damals war sie 15, eine „Russisch-Olympiade“ gewonnen und war zur Belohnung nach Moskau geschickt worden.

Auch Michail Margelow, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des russischen Oberhauses, hielt sich mit einer Wahl-Einschätzung zurück. Eine Prognose sei „riskant“, meinte der Politiker. Das Ergebnis der Wahl in Deutschland sei ein „Unentschieden“. Um in dieser Situation eine Regierung zu bilden, seien „außergewöhnliche politische Fähigkeiten“ gefragt. Auf die russisch-deutschen Beziehungen habe die Bundestagswahl keinen Einfluss, egal wie das Ergebnis aussehe. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern ständen auf einem „festen Fundament“.

KP-Chef Gennadij Sjuganow erklärte, er hoffe, dass es in Deutschland keine Wende nach rechts hin zu einer „pro-amerikanischen Politik“ gibt. Insgesamt ist der KP-Chef mit dem Wahlergebnis zufrieden, denn die „Linken“ hätten ihre Position verbessert. Nicht nur in Deutschland, in ganz Europa ständen die Zeichen auf „links“.

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Ulrich Heyden


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