Russland

Ein gewünschtes Ergebnis

Moskau (n-ost) - Wladimir Putin wirkte aufgeräumt. Aus seinem Arbeitszimmer im Kreml rief er den tschetschenischen Präsidenten Alu Alchanow an und bedankte sich für die Durchführung der Parlamentswahlen. „Das war eine große Arbeit, die mit einem guten Resultat endete.“ Die hohe Wahlbeteiligung - nach offiziellen Angaben lag sie bei 71 Prozent – zeige, dass die Bürger in Tschetschenien „Frieden und Wiederaufbau wollen“. Gesiegt hat die Pro-Kreml „Einiges Russland“ mit 61 Prozent der Stimmen, gefolgt von den Kommunisten und der liberalen „Union der Rechten Kräfte“ mit jeweils 11 Prozent.

Das Telefonat Putins nach Tschetschenien wurde im staatlichen Fernsehkanal RTR übertragen. Der Kreml-Chef ließ auch Glückwünsche für den „starken Mann“ Tschetscheniens, Ramsan Kadyrow, ausrichten. Kadyrow, der einen bei den einfachen Bürgern gefürchteten „Sicherheitsdienst“ von mehreren Tausend Mann leitet, beglückwünschte der Kreml-Chef zur Geburt des ersten Sohnes. Die Geburt von „Ahmed“ hatte Ramsan Kadyrow in der ganzen Republik feiern lassen. Seine Frau hatte ihm bisher nur Töchter geboren.

Mit der Wahl des Parlaments ist der Aufbau der Verfassungsorgane in Tschetschenien abgeschlossen, erklärte Putin auf einer Sitzung der russischen Regierung mit zufriedenem Gesichtsausdruck. Journalisten, Menschenrechtler und EU-Experten sind von dem Wahlergebnis nicht überzeugt. „Es gab keine schmutzigen Tricks“, so Alexandr Tscherkassow von der russischen Menschenrechtsorganisation „Memorial“. „Sie waren nicht nötig, weil die Menschen schon eingeschüchtert waren.“ Achmed Sakajew, Sprecher der Separatisten in London erklärte, die Wahlen hätten nichts mit einem politischen Prozess zu tun. Der Tag für eine politische Lösung sei durch die Wahlen noch weiter in die Ferne gerückt.

Andreas Gross, Leiter der Delegation europäischer Experten, sagte im russischen Fernsehkanal NTW: „Die Leute sind voller Angst. In dieser Situation ist es schwer, ein Parlament zu wählen.“ Tadeusz Iwinski, Abgeordneter der Parlamentarschen Versammlung des Europarates aus Polen, fiel auf, dass in allen von ihm besuchten Wahllokalen Plakate der Pro-Kreml-Partei „Einiges Russland“ („JedR“) hingen. „JedR“ soll in Tschetschenien schon 29.000 Mitglieder haben. Der Partei gehören nicht nur Präsident Alchanow sondern auch viele Minister und hohe Beamte an.

Für Mitglieder bringt der Partei-Ausweis nach Angaben von Menschenrechtlern handfeste Vorteile. So dürfe man die militärischen Kontrollpunkte ohne das übliche Schmiergeld von umgerechnet einem Euro passieren. Auch bekomme man leichter Zugang zu medizinischer Behandlung, in der kriegszerstörten Republik ein wichtiges Plus.

Die Kommunisten schnitten bei den Wahlen gut ab, weil sie an die weitverbreitete Nostalgie-Stimmung anknüpften. In ihren Wahlkampf-Spots tauchten regelmäßig Trolleybusse und Straßenbahnen auf, erinnerungsstarke Symbole aus Friedenszeiten, als es in Grosny noch einen großstädtischen öffentlichen Nahverkehr gab. Ungeachtet der Tatsache, dass unter Breschnjew kein Tschetschenisch an den Schulen gelehrt wurde, sehnen sich viele Menschen eben nach diesen Zeiten zurück. Nach elf Jahren Krieg scheint die Zeit der sowjetischen Stagnation als pures Glück.

Die „Union der Rechten Kräfte“, die bei den letzten Duma-Wahlen in Russland, an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte, schnitt in Tschetschenien hervorragend ab, weil Magomed Chambijew, ein bekannter ehemaliger Separatist, auf Platz Zwei der Liste kandidierte. Der ex-„Bojewik“ („Kämpfer“) war vor eineinhalb Jahren noch Verteidigungsminister der Untergrundregierung und leitete aus den Bergen den Partisanenkrieg. Nun schwört Magomed Chambijew auf seinen neuen Schutzherrn, Ramsan Kadyrow. Dies hat Gründe, wie Tantiana Lokschina, Menschenrechtlerin und Tschetschenien-Expertin der Internationalen Helsinki-Föderation erklärt: „Chambijew wechselte die Seite, weil Ramsan Kadyrow ein paar Dutzend seiner Verwandten als Geiseln genommen hatte, vor allem Frauen. In dieser Situation gab es für ihn keine andere Möglichkeit. Er ist eine sehr bekannte Persönlichkeit in Tschetschenien und wird in diesen Wahlen missbraucht als Vorzeigebeispiel eines geläuterten Separatisten.“

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Ulrich Heyden


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