Bosnien-Herzegowina

An Bruce Lee scheiden sich in Bosnien die Geister

Mostar (n-ost) – Wie von einem fernen Planeten wirkt Mostars neueste Touristenattraktion: Bruce Lee, als lebensgroße Statue in Bronze gegossen. In Kampfstellung, in der rechten Hand Nunchaku-Kampfstöcke, steht das Abbild des legendären Kung-Fu Meisters seit Ende November im einzigen Park der Stadt, umgeben von Bäumen, Schaukeln und Parkbänken. Auf dem steinernen Sockel steht die schlichte Aufschrift: „Bruce Lee, 1940 -1973, Dein Mostar“.

Befremden ruft nicht nur der starke Goldschimmer des frischen Gusses hervor. In Sichtweite bietet ein zerschossenes, abgebranntes Bürogebäude einen starken Kontrast zum glänzenden Objekt. Es sind weniger als zweihundert Meter bis zur ehemaligen Frontlinie, der im Balkankrieg zwischen Kroaten und Moslems heftig umkämpften Stadt an der Neretva. Noch immer bilden Kriegsruinen ein Niemandsland zwischen den beiden Stadthälften. Die im Krieg zerstörte berühmte Brücke von Mostar wurde zwar inzwischen wieder aufgebaut, doch zum Bindeglied ist sie noch nicht geworden. Kroaten separieren sich im Westteil, die moslemischen Bosniaken im Ostteil Mostars.

„Dieser Kampf wird mir fehlen” verkündet Veselin Gatalo, den alle nur Veso nennen, nach der feierlichen Eröffnung des Denkmals. Veso trägt eine grüne Armeejacke, auf dem Kopf eine schwarze Wollmütze. Wenn er nicht gerade als Aktivist für Bruce Lee unterwegs ist, schreibt er Literatur. Mit seinem Freund Nino Raspudić, der an der philosophischen Fakultät in Zagreb arbeitet, hat Gatalo zweieinhalb Jahre für die Verwirklichung dieses Denkmals gearbeitet. Beide sind Gründungsmitglider der Nichtregierungsorganisation (NGO) „Urban Movement Mostar“, die in Kooperation mit dem „Sarajevo Center for Contemporary Art“ (SCCA), das Vorhaben realisierte. „De/construct the Monuments“ heißt der Projektzyklus, den sich die jungen Aktivisten ausgedacht haben.
„In Oslo, Toronto oder Kopenhagen hätte dieses Denkmal keinen Sinn“, erklärt Veso. „In Mostar, in diesem Land ist es sinnvoll. Einem Land, in dem Kriegshelden Denkmäler gesetzt werden. Einem Land, in dem Kriege wegen Denkmälern und Mythologien begonnen werden.“

Für die Generation der heute Dreißigjährigen, ist Bruce Lee ein Held aus Kindheitstagen. Vor dem Krieg, der zur Teilung Bosnien-Herzegowinas in zwei Entitäten führte und seine Einwohner in drei ethnisch-religiöse „Volksgruppen“ spaltete, genoss der amerikanische Filmschauspieler große Sympathien. In Mostar soll er heute nach Vesos Worten „den Traum von einer gerechteren Welt symbolisieren“.

Zur Eröffnungsfeierlichkeit haben sich etwa 200 Menschen im „Veliki“-Park versammelt. Sie bilden einen großen Kreis um das verhüllte Denkmal. Der Himmel ist bewölkt, es nieselt. Zahlreiche Journalisten sind gekommen, alle großen Tageszeitungen des Landes, die Rundfunk- und Fernsehredaktionen haben Vertreter geschickt. Aus Tuzla, einer Stadt im Norden Bosnien-Herzegowinas, ist sogar eine Delegation von 37 Kun-Fu Sportlern angereist. Sie demonstrieren den Versammelten ihre Kampfkunst.

Zu der Menge spricht zunächst der chinesische Botschafter in Bosnien-Herzegowina Li Shujuan, nach ihm der deutsche, Arne Freiherr von Kittlitz und Ottendorf. Letzterer repräsentiert den Finanzier des Denkmals. Es waren Mittel der Bundeskulturstiftung, die im Rahmen des Projektes „relations“ dem SCCA die Beauftragung eines Bildhauers ermöglichten. Auch ein Vertreter der Amerikanischen Botschaft in Bosnien-Herzegowina ist anwesend. „I’m here because Bruce Lees was an American.“ erklärt Gerald McLoughlin knapp. Bosnisch-Herzegowinische Politiker lassen sich auf der Veranstaltung nicht blicken. Der Bürgermeister der Stadt, Ljubo Bešlić, lässt sich wegen Terminschwierigkeiten entschuldigen. Die bosnisch-herzegowinische Nationalflagge dient einer Gruppe Jugendliche als Hintergrund für das Erinnerungsfoto: „Nation Building“ mit Bruce Lee.

Abseits der Gedenkstätte sind die Reaktionen der Mostarer Bürger eher verhalten bis ablehnend. „Bruce Lee hat nichts mit uns zu tun, was soll der hier“ kommentiert eine ältere Passantin abends im Vorbeigehen das Denkmal.Sie winkt nur ab und beeilt sich auf ihrem Weg durch den Park. Im Internet rufen Fans des kroatischen Fussballklub H.Š.K. Zrinski und dem bosniakischen F.K. Velež. Zu einem skurrilen Wettkampf auf. Sieger ist die Gruppe, die es als erste schafft, der Statue die Fansymbolen der eigenen Mannschaft umzuhängen.

Im zehnten Friedensjahr nach der Ratifizierung des Friedensvertrages von Dayton ist die Stadtentwicklung in Mostar eine Fortführung des Krieges mit anderen Mitteln. Buchstäblich an jeder Ecke lässt sich ein religiös-kulturelles „Wettrüsten“ beobachten. Gigantische Kirchtürme, Kreuze und Moscheen bestimmen das Stadtbild. Auf dem Berg Hum, von dem aus kroatische Truppen die alte Brücke der Stadt zerstörten, steht ein riesiges, nachts hell erleuchtetes Kreuz.

„Ich hasse es, wenn mich Leute, nachdem sie erfahren, dass ich aus Mostar bin, fragen, ob ich aus dem östlichen, bosniakischen oder westlichen, kroatischen Teil Mostars komme. Das ist einer der Hauptgründe für das Aufstellen des Denkmals. Wir hoffen, dass die Leute eines Tages sagen werden. Ich habe von Mostar gehört. Das ist die Stadt mit dem Bruce Lee Denkmal.“ So lautet die Idee von Vesos Freund Nino. Bruce Lee als positive integrative Symbolfigur.

Wie weit der Weg dahin noch ist, zeigt sich nur einen Tag nach der Enthüllung, als die bosnisch-herzegowinische Presse bereits über Vandalismus gegen das Bruce Lee berichten muss. Unbekannte hatten versucht, die Nunchaku-Stöcke aus der Bronzefigur heraus zu brechen und dabei das Denkmal schwer beschädigt.

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