Russland

„Ich kaufe die Schlossallee“

Moskau (n-ost) - Moskau wächst und wächst, vorzugsweise in die Höhe, die Gebäude ebenso wie die Mietpreise. Immer stärker mischen bei den Bauprojekten über den Wolken der russischen Hauptstadt auch deutsche Unternehmen mit – als Investoren, Entwickler und Berater, als Makler und Architekten, als Erbauer und Mieter.

„Das ist erst der Anfang“, steht auf einem riesigen Banner, das einen gewaltigen Rohbau umhüllt. Der Moskauer „Föderationsturm-Komplex“ wächst täglich ein Stück höher in den Himmel. 2007 soll der höhere der beiden Türme dann die Marke von 340 Metern erreichen und neben Appartements, Geschäften und Büros auch das zweite Moskauer Hyatt-Hotel beherbergen. Damit hat der Moskauer Gigantismus aber seinen Gipfel noch lange nicht erreicht: Zwischen den beiden sich nach oben verjüngenden und gleichzeitig in sich gedrehten Dreiecksbauten soll noch eine 435 Meter lange Nadel herausragen, die im 85. Stockwerk in einer Aussichtsplattform gipfelt. 2010 – so der Plan – soll Europas höchstes Gebäude eröffnet werden.

Für Moskauer Verhältnisse völlig ungewöhnlich, sei mit dem Bau begonnen worden, noch bevor auch nur eine Fläche fest vermietet worden war, erklärt Matthias Lassen vom Architekturbüro „nps tchoban voss“. Der Plan sei dennoch aufgegangen: Heute, anderthalb Jahre nach dem ersten Spatenstich, seien etwa 50 Prozent des 400 000-Quadratmeter-Projekts an den Mann gebracht, sagt Lassen, der den Bau für das federführende deutsche Architekturbüro in Moskau überwacht.

„nps tchoban voss“ hatte 2003 die Ausschreibung für den „Föderationsturm“ mit dem besten Designentwurf gewonnen, gemeinsam mit dem Hamburger Architekturbüro Schweger, die jahrelange Erfahrung im Hochhausbau haben. Und während „nps“ mit Sitz in Hamburg, Berlin und Dresden anfangs nur die Koordination übernehmen sollte, obliegt dem Büro jetzt praktisch die gesamte Bauleitung, inklusive der kompletten Architekturleistung, an der zwischendurch, eine russische Firma gescheitert war.

Der deutsche Architekt Lassen schwankt merklich zwischen Euphorie und Skepsis, zwischen Optimismus und Schwarzmalerei, wenn er über das Projekt redet. „Ich bin manchmal wirklich erstaunt, dass es so weit gekommen ist, aber es wird tatsächlich gebaut“, sagt er und fügt hinzu: „Wenn es ein Problem gibt, wird nicht erst gefragt, wo welche Vorschrift geschrieben steht, sondern eher, wie das Problem möglichst schnell und effektiv gelöst werden kann.“

Dabei ist die Internationalität der Baumannschaft für das 600-Millionen-Dollar-Projekt vielleicht ein entscheidender Faktor: Während die Investoren - zwei Banken und der aus St. Petersburg stammende Baukonzern Mirax - russisch sind, kommen die ausführenden Firmen aus der Türkei und China, der Tragwerksplaner ist ein New Yorker, die Lifte baut die deutsche Firma ThyssenKrupp ein, andere Experten kommen aus Großbritannien und Kanada. Die Koordination des „zusammengewürfelten Haufens“, so Lassen, obliegt den Deutschen.

Ebenfalls ein „deutsches“ Projekt ist das „Kutusovsky Internationale Center“, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Föderationsturm, dort, wo sich der dritte Moskauer Autobahnring und der prestigeträchtige Kutusowskij-Prospekt kreuzen. Die Einfallstraße ist eine ampellose zehnspurige Magistrale, die täglich Dutzende Politiker und Wirtschaftsbosse auf ihrem Weg ins Büro befahren. „Der Kutusowskij-Prospekt ist für die Moskauer so eine Adresse wie die Schlossallee beim Monopoly“, sagt der Düsseldorfer Architekt Erasmus Eller, der in eben dieser besten Lage das neue Businesszentrum plant. Es besteht aus 212-Meter-hohen Zwillingstürmen und vier kleineren Bürogebäuden, die alle um eine Plaza gruppiert sind. Im April dieses Jahres hat Moskaus Bürgermeister Jurij Luschkow mit seiner Unterschrift das Projekt bewilligt, jetzt soll der Bau beginnen.

Für viele mag der Begriff des „Manhattan an der Moskwa“ fantastisch klingen, aber die „Türme am Ufer“, die schon heute zwischen dem zukünftigen Kutusowskij-Center und dem Föderationsturm emporragen, bezeugen die ungebändigte Baulust von Russlands Kapitale. Obwohl die Mieten mit 550 bis 675 Dollar pro Quadratmeter überdurchschnittlich hoch wären, sei die Nachfrage rege, betont Wulff Aengevelt, Geschäftsführer des gleichnamigen Immobilienunternehmens in Düsseldorf, der ebenfalls in Moskau gut im Geschäft ist. Ausschlaggebend für die Mietpreisentwicklung seien die reichen russischen Unternehmen aus der Rohstoff- und der Finanzbranche. Außerdem fehle es generell in Moskau noch immer an ausreichend hochwertigen Büroflächen. Zwar habe sich die Anzahl an Büros mit „internationalem Standard“ seit 1991 auf heute etwa 2,2 Millionen Quadratmeter versechsfacht. Allerdings hätten sich gleichzeitig auch die Bedürfnisse der Mieter geändert. Inzwischen werde verstärkt auf Lage, Bauqualität, Ausstattung und Funktionalität geachtet.

Gerade deutsche Mittelständler, die in Moskau unter strengem betriebswirtschaftlichen Kostendruck operieren, stoßen bisher auf ein unzureichendes Angebot an qualitativ akzeptablen Büroflächen zu Mittelfeldpreisen von 330 bis 400 Dollar pro Quadratmeter. Weiterhin schwierig ist es auch für internationale Immobilienfonds, geeignete Objekte zu finden. Matthias Gerloff, Ankäufer bei der DIFA (Deutsche Immobilien Fonds AG im Finanzverbund der Volksbanken Raiffeisenbanken), erzählt, dass er bereits seit anderthalb Jahren regelmäßig nach Moskau fährt, auf der Suche nach einer geeigneten Immobilie. Bisher erfolglos. Entweder sind die Objekte zu alt oder qualitativ nicht hochwertig genug. „Eigentlich kommen erst die Gebäude, die jetzt entstehen, wirklich in Frage“, sagt Gerloff. Außerdem würden die Bauherren erwarten, dass man investiert, bevor überhaupt der Grundstein gelegt wurde – für den deutschen Fondsmanager zu risikoreich. Auf der Einkaufsliste des Hamburgers stehen ein Hotelgebäude, Büro oder Businesscenter in der Größenordnung zwischen 20 und 50 Millionen Euro und angesichts der in Planung befindlichen Projekte ist er zuversichtlich, bald eine entsprechende Immobilie zu finden.

Einen ziemlich detaillierten Einblick in den Moskauer Gebäudemarkt bekommt man während einer Stadttour, die Immobilienfirmen hin und wieder für Interessenten organisieren. Im Businesspark „Derbenjowskij“ in der Nähe des Pawelezker Bahnhofs gewährt Andrej Kowaljow, Präsident der Developer-Firma Eko-Office, einen freimütigen Einblick in die Moskauer Immobilienszene. Er habe sich zum Abgeordneten der Moskauer Stadtduma wählen lassen, um seine guten Beziehungen zur Hauptstadtverwaltung zu pflegen. „In Moskau ist das wichtig“, kommentiert er lakonisch.
Kowaljow arbeitet in seiner Freizeit als Sänger. Auf riesigen Plakaten wirbt er in Moskau derzeit für sein neues Album. Von sich selbst sagt er, dass er „der russische Donald Trump“ werden und in spätestens fünf Jahren mindestens eine Million Quadratmeter an Land besitzen will. Überall auf der Welt hätte man wohl den Kopf geschüttelt – aber in Moskau scheint derzeit alles möglich.

*** Ende *** 

Dana Ritzmann


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