Russland

"Ich liebe Kaviar“

RUSSLAND: Aus dem Adlon ins Kempinski - Deutscher Star-Koch bekocht Moskau

Seit einem halben Jahr führt der Schwabe Rainer Sigg die Küche des Baltschug Kempinski Hotels in Moskau. Zuvor hatte er drei Jahre lang im Berliner Hotel Adlon gekocht. Dort galt es die Traditionsküche zu bewahren und sie mit ein wenig Zeitgeist zu würzen. In Moskau soll der 36-jährige Sterne-Koch eine neue Philosophie etablieren – und sie den 60 Köchen, aus denen sein überwiegend russisches Team besteht, schmackhaft machen, ebenso wie den ausgesuchten Gästen des Hotels.

Dana Ritzmann berichtet. Ein Foto des Kochs finden sie im Anhang.
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Andreas Metz, n-ost-Büro Berlin

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Moskau (n-ost) - „Die Schnittlauchspitzen bitte, den Balsamico-Essig. Das kann jetzt raus.“ Der Rhythmus der Worte erinnert an einen Operationssaal. Und auch wenn es in der Küche des Baltschug Kempinski nicht um Leben und Tod geht, so gewiss um Präzision und Pünktlichkeit. Der Chef selbst richtet seine Kompositionen auf den großen weißen Tellern an. Mit Fingerspitzengefühl und äußerster Perfektion stapelt er das Fischfilet auf den Blattspinat, obenauf platziert er ein Miniatur-Spiegelei auf schwarzem Kaviar. „Ich liebe Kaviar“, sagt Rainer Sigg, und schaufelt ein weiteres Löffelchen aus der blauen Dose.

Seit einem halben Jahr führt der Schwabe die Küche des Baltschug Kempinski, nachdem er zuvor drei Jahre lang im Berliner Hotel Adlon gekocht hat. Dort galt es die Traditionsküche zu bewahren und sie mit ein wenig Zeitgeist zu würzen. In Moskau soll der 36-jährige Sterne-Koch eine neue Philosophie etablieren – und sie den 60 Köchen, aus denen sein überwiegend russisches Team besteht, schmackhaft machen, ebenso wie den ausgesuchten Gästen des Hotels. Das Baltschug war das erste Nobelhotel in Moskau, das Anfang der 90er Jahre seine Türen öffnete. Das Management ist fest in deutscher Hand. Der neue Chef, der vor einem Jahr die Stelle des verstorbenen Hotelgründers antrat, führte zuvor das Adlon in Berlin. Dort hatte er einige Jahre mit Rainer Sigg zusammengearbeitet, der bereits ein Jahr nach seinem Amtsantritt in Berlin den renommierten Michelin-Stern für das Restaurant „Lorenz Adlon“ wieder erkochte. Prominente wie Gerhard Schröder, Bill Clinton oder Franz Beckenbauer lobten die erlesene Küche des schwäbischen Künstlers, der in München unter Starkoch Eckart Witzigmann gelernt hatte.

Siggs Rezept ist denkbar einfach: „Wenn man wie ich die französische Küche beherrscht, dann kocht man schon mal sehr gut“, sagt er. „Ich erfinde nichts, aber ich kombiniere gern mit internationalen Einflüssen.“ Am wichtigsten sei es, erklärt der Gourmet-Koch, frische und hochwertige Produkte zu verwenden und auf die schonende Art zu kochen. „Wenn Sie die Augen zumachen und wissen, was Sie essen, dann ist es gut. Man muss schmecken, was man isst.“

Über die Qualität der Produkte in Russland kann er nicht klagen. Er habe gute Lieferanten und wenn es die Zeit erlaubt, dann schaut er sich auch mal selbst auf den Märkten um. Was Russland an Lebensmitteln hergebe, das würde er auch aus heimischer Produktion beziehen. Was exotisch ist, wird importiert. Es sei offensichtlich, dass die Russen, die viel umherreisen und daher wissen, was man erwarten kann, auch in ihrem eigenen Land keine Abstriche mehr machen wollen. Zudem sei man in Moskau bereit, für Qualität auch zu bezahlen. „Qualität hat nun mal ihren Preis“, sagt Sigg, das wüssten seine Kunden, deshalb „kann ich die beste Ware anbieten“. Die Konkurrenz in der russischen Hauptstadt sei groß, die Restaurantszene hervorragend, urteilt Sigg, der als einer der besten Köche weltweit gilt. Er geht selbst gern abends aus, allerdings „nicht in der Kochjacke“, wie er scherzhaft hinzufügt, sondern lediglich, um zu genießen und alles auszuprobieren, was sich ihm an kulinarischen Extravaganzen bietet. Wenn man ihn fragt, was man in Moskau gut essen kann, dann nennt er Kaviar, Bliny, Stör und Lachs. Tatsächlich aber ist Sigg ein Süßer, wie man im Volksmund sagen würde. „Ich war schon als Kind fanatisch auf Süßspeisen“, gesteht er, und das sei heute nicht anders. „Das Dessert ist das i-Tüpfelchen meines Menüs. Der Abschluss muss immer perfekt sein.“

Für den Dezember hat Sigg das „Menü des Monats“ für alle Kempinski-Hotels weltweit kreirt. Es gibt Wachtelkotelette auf Linsengemüse mit Frissee-Salat und Himbeer-Vinaigrette, der zweite Gang ist ein Mille Feuille vom Schottischen Lachs und Kartoffelpüree mit Stör-Kaviar an zweierlei Saucen. Dann ein Wildkaninchenrücken im Wirsingmantel mit Preiselbeer-Rum-Sauce, gebackenen Äpfeln und Maronenpüree. Schließlich zum Nachtisch ein gedeckter Schokoladen-Mandelkuchen mit Zwergorangenkompott und Estragonparfait. „Das bin ich“, sagt Sigg über seine Rezepte und wünscht einen guten Appetit.

** Ende **


Foto (Kempinski): Rainer Sigg lässt sich nicht so gerne in die Töpfe gucken – zumindest nicht von Fotografen. Da reicht er lieber eines seiner offiziellen Bilder über den Tisch, das ihn in seinem Küchenoutfit vor dem Kreml im Hintergrund zeigt. 

Dana Ritzmann


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