Russland

Juschtschenko lehnt dankend ab

Moskau (n-ost) - Das goldene Pendel der Wanduhr schlug ruhig hin und her, während Alexej Miller, der Chef des russischen Gasprom-Konzerns, mit harter Stimme seine letzte Warnung Richtung Kiew sandte. Wenn es in den noch verbleibenden Stunden bis zum 1. Januar nicht zu einer Vertragsunterzeichung kommt, werden man am 1. Januar um zehn Uhr die Gaslieferungen „an die ukrainischen Abnehmer“ stoppen. Gasprom fordert von der Ukraine für das nächste Jahr - statt bisher 50 Dollar - 230 Dollar pro 1.000 Kubikmeter Gas. Kiew will nicht mehr als 80 Dollar zahlen.

Wir werden „klar und entschieden“ handeln kündigte Miller an. Man habe bereits einen operativen Stab gebildet, der sich darum kümmern soll, dass das russische Gas „europäischen Verbraucher“ „ungestörte erreicht“. Wenn die Ukraine „nichtsanktioniert“ Gas abzapfe, werde die Reaktion „hart und entscheiden“ sein, drohte Gasprom-Sprecher Sergej Kuprijanow.
Trotz dem Ultimatum von von Gasprom-Chef Miller kamen die Verhandlungen zwischen der russischen und der ukrainischen Deleagtion aber auch am Freitag nicht voran.

Bisher hat Gasprom noch nicht verraten, wie man die „Verbraucher in der Ukraine“ am 1. Januar abklemmen will. Physisch lässt sich das Gas für Westeuropa und die Ukraine nämlich nicht trennen. Der russische Fernsehkanal NTW berichtete unter Berufung auf Gasprom-Vetreter, notfalls könnte „Jamal-Ewropa“, Russlands zweite Pipeline Richtung Westen, die über Weißrussland läuft, zusätzliche Kapazitäten aufnehmen. Bisher werden 80 Prozent des russisches Gases Richtung Westeuropa über die ukrainische „Druschba“-Pipeline transportiert.

Gasprom ist ein halbstaatliches Unternehmen, in dem Kreml den Ton angibt. Trotzdem versuchte sich Wladimir Putin am Donnerstag als Schlichter zwischen Gasprom und dem ukrainischen Unternehmen Naftogaz in Szene zu setzen. Seit März stehe fest, dass die Gaspreise auf internationales Niveau angehoben werden. Warum es bisher keine Einigung gäbe, sei ihm völlig unverständlich. Gasprom und Naftogaz hätten eine internationale Krise heraufbeschwört. Das sei „sehr schlecht“.

Wie ein guter Zar bot Putin der Ukraine dann einen Kredit von 3,6 Mrd. Dollar zur Bezahlung des erhöhten Gaspreises an. Die staatlichen russischen Fernsehkanäle ORT und RTR inszenierten Putin als Vermittler, der sich ehrlich um die Ukraine sorgt. Diejenigen Russen, denen die orangene Revolution ein Graus ist, sollten ihre Freude haben. Putin saß am Kopfende eines langen Tisches, zur rechten die Gasprom-Vertreter, zur Linken die Vertreter von Naftogaz. Die Vertreter aus Kiew lauschten den Worten des Kreml-Chefs und versicherten, sie würden auf keinen Fall Gas für den eigenen Verbrauch abzweigen.

Russland könne seine „Nachbarn und Freunde“ unterstützen, nicht aber „indisches Business in der Ukraine“. Damit spielte Putin auf Lakshmi Mittal an, einen Briten indischer Abstammung, der Ende Oktober für 4,8 Mrd. Dollar das ukrainische Stahlwerk „Kriworoschstal“ erwarb. Auf das Unternehmen hatte auch der pro-russische Oligarch Rinat Achmetow ein Auge geworfen. Mit der Bemerkung zum „inidischen Business“ macht Putin klar, dass ihm die ganze Richtung in der Ukraine nicht gefällt. Der Kreml will nicht akzeptieren, dass sich Kiew seit der orangenen Revolution klar Richtung Westen orientiert.

Der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko wollte von Putin´s Angebot nichts wissen. „Wir sind sehr dankbar für das Angebot großer Kredite, aber die Ukraine braucht diese Kredite nicht.“ Die Ukraine sei erst „in etwa drei Jahren“ in der Lage, den von Russland geforderten Marktpreis zu zahlen. Auch Putin habe eingestanden, dass es eine „Übergangszeit“ geben müsse. Der „objektive Preis“ liege „angesichts der heutigen wirtschaftlichen Situation“ bei 80 Dollar. Schon bei einem Preis von 105 Dollar werde die ukrainische Stahl- und Chemieindustrie stillstehen, hatte Anatoli Kinach, der Sekretär des ukrainischen Sicherheitsrates erklärt.

Der ukrainische Ministerpräsident Juri Echanurow hatte die Ablehnung des Kredit-Angebots aus Moskau gegenüber dem ukrainischen Radio „Era“ damit begründet, dass die Ukraine ihr Pipeline-System nicht als Sicherheit für einen Bankkredit hergeben könne. Das Pipelinesystem gehöre zu den „nationalen Errungenschaften“ und sei „kein Fall für Handel oder Privatisierung“.

Der deutsche Gas-Versorger Eon Ruhrgas demonstrierte angesichts des ukrainisch-russischen Streits Gelassenheit, teilte jedoch mit, man mache sich über Zukäufe in Norwegen und den Niederlanden Gedanken. Selbst wenn sämtliche Lieferwege auf einen Schlag ausfallen, wäre Deutschland durch seine Erdgas-Speicher 75 Tage lang mit Gas versorgt, erklärte Martin Weyand, Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft gegenüber der „Welt“. Deutschland deckt seinen Gasbedarf zu 35 Prozent aus Russland. 24 Prozent kommen aus Norwegen, 19 Prozent aus den Niederlanden und 16 Prozent aus inländischer Förderung.


*** Ende ***



Ulrich Heyden


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