Russland

Putin wirbt um die „fetten Kater“

Moskau (n-ost) - Russland möchte möglichst bald Vollmitglied der Gruppe der führenden Industriestaaten - G 8 - sein. Diesen Anspruch bekräftigte Wladimir Putin bei einem Treffen mit den Finanzministern der G 8, die am Wochenende das erste Mal in Moskau tagten.
Zur der Gruppe der G 8 gehören die USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Kanada, Italien und Russland. Russland ist noch nicht an allen Beratungen im Rahmen der G 8 beteiligt, führt in diesem Jahr aber den Vorsitz und richtet im Juli in St. Petersburg auch den Gipfel der G 8-Staatsoberhäupter aus.

Der deutsche Finanzminister Peer Streinbrück erklärte auf einer Pressekonferenz in Moskau, er sei für eine Vollmitgliedschaft Russlands. Die Rolle Russlands sei nicht nur als Energielieferant sondern auch in vielen außenpolitischen Fragen zu bedeutend, als das man das Land „vom Tisch verweisen“ könne. Deutschland sei sehr daran gelegen, dass die russische Politik Erfolg habe. Auf Einlassungen von Journalisten, bei der G 8 handele es sich auch um eine Wertegemeinschaft, meinte Steinbrück, bei „puristischer“ Auslegung des Begriffs könne auch die Außenpolitik anderer westlicher Länder nicht bestehen. Der Minister hatte bei diesem Seitenhieb wohl die USA im Blick. Von dort kamen in letzter Zeit Forderungen einzelner Politiker, Russland nicht in den Kreis der wichtigsten Industrieländer aufzunehmen. Russland teile weder die demokratischen Werte der Gruppe noch sei es wirtschaftlich stark genug für eine Mitgliedschaft. Auch in Japan gibt es Vorbehalte gegen eine Vollmitgliedschaft Russlands.

Die Lage im Nahen und Mittleren Osten war – entgegen üblicher Gepflogenheiten - auch Gegenstand der Beratungen der Finanzminister. Einzelheiten wurden jedoch nicht mitgeteilt. Klar ist aber, dass Russland bei der Lösung der Konflikte im Nahen und Mittleren Osten eine Rolle spielen könnte. Putin hatte Vertreter der Hamas nach Moskau eingeladen. Und in wenigen Tagen erwartet man auch Vertreter des Irans in der russischen Hauptstadt. Man will über eine gemeinsame Uran-Aufbereitungsanlage auf russischem Territorium zu sprechen.

Global-Politiker Putin

Der Kreml-Chef versuchte sich auf dem Gipfel der Finanzminister in einer Doppelrolle, als Anwalt der Armen und Gönner für die Reichen. All das sollte Russlands Anspruch auf Mitsprache in der Welt-Politik unterstreichen. Ohne Russland sei die G 8 eine „Ansammlung fetter Kater“, hatte der Kreml-Chef erst vor zwei Wochen erklärt. Russland könne aufgrund der großen Armut im eigenen Land besser für andere arme Länder sprechen. Ganz Global-Politiker machte Putin den reichen Staaten den Vorschlag, die Schulden, die Russland vorzeitig an den Pariser Club zurückzahlen will – die Rede ist von zwölf Milliarden Dollar - für die Schuldenstreichung bei den armen Staaten zu verwenden.

Die Finanzminister reagierten kühl. Man sei gegen eine Vermischung von Themen, hieß es. Russland, dass wegen der gut laufenden Öl- und Gasgeschäfte zur Zeit im Geld schwimmt, will schon mal mit gutem Beispiel vorangehen und der Internationalen Entwicklungsagentur, einer Tochter der Weltbank, die arme Länder unterstützt, zusätzlich 587 Millionen Dollar zahlen.

Kühl reagierte auch Peer Steinbrück. Man sei an einer „übermäßigen Dimension“ der Entschuldung „nicht interessiert“, erklärte der deutsche Finanzminister. Eigentlich müsse sich ein Finanzminister über die Rückzahlung von Schulden ja freuen. Doch in diesem Fall sei die Sache komplizierter. Deutschland habe die Forderungen an Russland als Anleihen am Kapitalmarkt verkauft. Deren Zinsen werden mit den Tilgungszahlungen aus Russland finanziert. Wenn Russland seine Schulden vorzeitig tilge, sei das mit neuen Belastungen für den Bundeshaushalt verbunden. Jetzt gehe es darum, eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden.

Die EU vertraut Russland

Der russische Finanzminister Alexej Kudrin warb auf dem Treffen in Moskau um Vertrauen in die russische Energiepolitik. Er verteidigte die Preiserhöhung für russisches Gas an die Ukraine. Anfang des Jahres war es wegen illegaler Gas-Entnahme in der Ukraine zu Lieferengpässen nach Europa gekommen. Russland hatte die Gas-Entnahme in der Ukraine allerdings durch zusätzliche Lieferungen ausgeglichen. Steinbrück war von den russischen Argumenten offenbar sehr beeindruckt. Die deutschen Medien hätten über die russisch-ukrainische Gas-Krise nicht in seiner ganzen Komplexität dargestellt, erklärte der Minister.

Der russische Finanzminister Alexej Kudrin, versprach, die russischen Pipelines bald auch für andere russische Gas-Anbieter zu öffnen. Einen Zeitpunkt nannte Kudrin allerdings nicht. Ob dieses Eingehen auf jahrelange Forderungen des Westens allerdings zu einem Sinken der Gaspreise führt, ist zweifelhaft. Der staatliche Gasprom-Konzern erzeugt selbst 90 Prozent des russischen Gases und besitzt zwei Drittel der russischen Lagerstätten.

In Europa scheint man Russland, trotz des Gas-Konflikts mit der Ukraine, zu vertrauen. Die Forderungen, Russland solle seinen Gas-Markt endlich liberalisieren und das staatliche Monopol brechen, kommen vor allem aus den USA und England. Der österreichische Finanzminister Karl-Heinz Grasser, der den österreichischen EU-Ratsvorsitz beim Treffen in Moskau vertrat, erklärte, die EU toleriere das staatliche Gasmonopol. Jeder Staat müsse selbst entscheiden, „was für ihn stimmt“.

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Ulrich Heyden


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