Roulette auf freiem Feld
In Russland öffnet das erste legale Kasino nach der Schließung aller Spielhallen vor einem halben Jahr
(n-ost) – Auf den bunten Plänen für die Investoren sieht Asov City großartig aus: Glitzernde Wolkenkratzer, Hotels, Parks und sogar schwimmende Casinos. Es erinnert an die Visionen von Dubai. Aber auch in Russland sieht die Wirklichkeit anders aus. Das Kasino „Orakul“ am Asowschen Meer steht allein auf weiter Flur. Morgen (30. Januar) werden seine 300 Spielautomaten zum ersten Mal blinken, werden Croupiers hinter den 18 Roulette- und Kartenspieltischen auf Kundschaft warten. Das „Orakul“ ist das erste legale Kasino, das wieder eröffnet, seit die russische Regierung vor einem halben Jahr freies Glücksspiel verboten und die Spielstätten in vier unbewohnte Zonen in den entlegensten Ecken des Landes verbannt hatte.
Eine davon liegt nahe der südrussischen Stadt Rostow am Don. Doch in der 2000 Hektar großen „Spielzone Asow City“ findet sich auch nach sieben Monaten noch keine Spur von Las Vegas. Zur Eröffnung am 1. Juli hatte die Verwaltung eilig ein Zelt mit Roulettetischen auf freies Feld gestellt – und nach der offiziellen Feier umgehend wieder abgebaut. Nur ein paar Wachmänner blieben in der verlassenen Gegend zurück.
Asow City: Nichts als ödes Brachland. Foto: Andrej Katschalian.
Auch jetzt ist das zweistöckige Kasino „Orakul“ weithin das einzige Gebäude. Doch der Entwicklungsmanager der Firma Royal Time Group, Timur Permjakow, ist stolz auf sein Projekt. Zur Eröffnung hat er VIP-Gäste aus der Region eingeladen. Rund sieben Millionen Euro hat sein Unternehmen bereits in Asow City investiert. Die Royal Time Group ist der erste Betreiber eines legalen Kasinos in einer der vier offiziellen russischen Spielzonen.
Die logistischen Probleme aber bleiben. Ein Hotel gibt es in dem entlegenen Ort bisher nicht, die VIPs müssen in einem 70 Kilometer entfernten Dorf übernachten. Um Spieler ins „Orakul“ zu locken, planen die Kasinobetreiber einen kostenlosen Bustransfer aus den nächstgelegenen Städten Rostow am Don und Krasnodar, was sie jeden Tag eine erhebliche Summe kosten wird.
„In zwei, drei Monaten erwarten wir etwa 500 Besucher pro Tag“, sagt Timur Permjakow selbstsicher. Und schiebt hinterher: „Natürlich wird Asow City nicht innerhalb eines Jahres zum russischen Las Vegas, aber auf lange Sicht ist das schon möglich.“ Er hofft auf Besucherscharen, die 2014 zu den Olympischen Spiele ins nahe gelegene Sotschi kommen.
Geschlossenes Kasinos in Rostow am Don. Foto: Andrej Katschalian.
Andere Investoren bleiben skeptisch. Mit ihrem Gesetz gegen das „amoralische Gewerbe“ habe die russische Regierung den Anschein politischer Aktivität erwecken wollen und die wirtschaftliche Situation vollkommen außen vor gelassen. Dem Staat entgehen durch die Schließung der Kasinos Steuereinnahmen von mehr als 20 Milliarden Rubel (470 Millionen Euro), allein in der Region Rostow haben 2000 Menschen ihre Arbeit verloren.
Zudem, klagen ehemalige Kasino-Besitzer aus der Region, unterstütze der Staat potentielle Investoren nicht. Sie müssten für die Infrastruktur von der Stromversorgung bis hin zum Transport der Gäste selbst sorgen. Wegen bürokratischer Hürden und der langsamen Entwicklung der Spielzonen sind potentielle ausländische Investoren wie Casinos Austria oder ASATI inzwischen wieder von einer Beteiligung in Asow-City abgerückt.
Hier wurde im Juli offiziell eine der vier Spielzonen eröffnet wurde, die die russische Regierung noch duldet. Foto: Andrej Katschalian.
Der einstige Inhaber eines der größten Kasinos in Südrussland, Michail Bartnik, hat zwar ein Stück Land in Asow City gemietet, zweifelt aber immer mehr am Sinn dieses Unterfangens. Er ist nicht sicher, ob die zahlreichen geplanten Hotels, Spas und Straßen, die das öde Gelände attraktiv machen sollen, je gebaut werden. „Die Spielzone Asow City hat ja nicht einmal eine Adresse, der bekannteste Einwohner hier ist die Grüne Mücke“, versucht er zu scherzen.
In den anderen drei Spielzonen sieht es nicht besser aus. Sie sind ebenso ungünstig gelegen wie Asow City: im fernen Osten unweit der chinesischen Grenze, im Altai-Gebirge und in der Exklave Kaliningrad an der Ostsee. In keiner hat bisher ein Kasino eröffnet.
Julia Uraktschejewa
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