Russland

Bürger protestieren gegen Privilegien für Gouverneure

Die Bürger von Rostow am Don hielten schwarze Luftballons in die Luft, als sie sich auf dem zentralen Platz der südrussischen Stadt versammelten. Ein Zeichen gegen ein Gesetz, das in Kraft trat, als ein neuer Gouverneur vor einigen Monaten ins Amt kam. Seit 2004 werden die Gouverneure in den russischen Regionen nicht mehr gewählt, sondern lediglich ernannt. Dagegen gab es damals keine Proteste. Diesmal jedoch reagierte die Öffentlichkeit mit Empörung.

Laut dem „Gesetz  über die Garantien für den entlassenen Gouverneur und seine Familienangehörigen“ erhalten Gouverneure auch nach ihrer Entlassung 80 Prozent ihres Einkommens, was mit umgerechnet rund 6500 Euro pro Monat rund zehnmal mehr ist als der Durchschnittslohn in Rostow. Darüber hinaus gibt es Zuschläge für Wagen, Bodyguards, Kuraufenthalte und die medizinische Versorgung der gesamten Familie. In jeder dritten Region Russlands gelten ähnliche Gesetze, in Moskau und Sankt Petersburg bekommen ehemalige Gouverneure sogar eine Datscha auf Lebenszeit.

Journalisten haben ausgerechnet, dass allein die Steuerzahler von Rostow künftig rund neun Millionen Rubel jährlich für ihre Gouverneure in Rente bezahlen. Von diesem Geld könnte man eines der vielen maroden Krankenhäuser mit High-Tech-Medizin versorgen. Der erste Ex-Gouverneur, der in Rostow in den Genuss dieser Privilegien kommt, ist Wladimir Tschub. Er hat ohnehin keine Geldprobleme: Tschubs Frau ist mit einem Einkommen von umgerechnet 4,5 Millionen Euro im Jahr 2009 Multimillionärin.

Die Protestwelle begann sofort, als das Gesetz veröffentlicht wurde. „Wir wollen Tschub nicht füttern!", erklärten die oppositionelle Bewegungen Linke Front und die Partei des Schachgroßmeisters Garri Kasparow. Im Internet stimmten rund 10.000 Menschen gegen das Gesetz.

Zur Kundgebungen in Rostow wagten sich weit weniger Menschen. Nur 150 Leute versammelten sich Mitte dieser Woche im Stadtzentrum. Die Aktion war nicht genehmigt, die Miliz aber unterstützte die Proteste. „Der Ex-Gouverneur verdient es, eine normale Rente zu bekommen, und das ist genug!“, so die Schneiderin Jelena, die ihren schwarzen Luftballon in die Höhe hält. „Mich hat mein Gewissen hierher gebracht“, sagt Rechtsanwalt Kirill, „man muss doch etwas tun, mit unserer Macht kommunizieren“. Manche der Protestierenden trugen Schilder, auf denen stand: „Ich will mit meiner Steuer das Gesundheitswesen und Autobahnen finanzieren“. Die einzige Verwaltungsrepräsentantin, die mit den Protestierenden und Journalisten sprach, hielt sich mit Meinungsäußerungen zurück. Sie wurde mit Fragen durchlöchert: Warum bekommen Rentner seit Jahren keine Wohnung?, Warum funktioniert die Kanalisation in unserem Bezirk nicht?

Die Aktion hat in Russland für Aufmerksamkeit gesorgt, vor allem die Abstimmung im Internet hat die Öffentlichkeit sensibilisiert. Mit Erfolg: Ex-Gouverneur Tschub hat bereits das Rostower Parlament informiert, dass er auf Teile der ihm zugestandenen Privilegien verzichten will.


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