Rumänien

„Nur der EU-Beitritt kann Rumänien gesund machen”

Frage: Herr Roman, was haben Sie am 22. Dezember vor?

Ganz sicher, eine neue Revolution! (er lacht). Gut wäre wenigstens eine Revolution in der rumänischen Politik, um die Hoffnungen der Rumänen vom Dezember 1989 wieder ein bisschen zu beleben. Ich werde Kränze auf dem Friedhof der Helden der Revolution 1989 niederlegen, wo zum Teil meine Kameraden begraben sind, mit denen ich zusammen auf die Barrikaden gegangen bin.

Frage: Glauben, Sie, dass die Hoffnung der Rumänen in den letzten 15 Jahren verloren gegangen ist?

Ich glaube, dass fast alle Rumänen ihre Hoffnung verloren haben. Die Statistiken der Rumänischen Akademischen Gesellschaft (SAR) zeigen, dass Rumänen nach 15 Jahren seit der Revolution im Dezember 1989 immer noch auf die eine große Änderung warten. Es sind zwar neue Politiker aufgetreten, aber die Gewohnheiten sind letztendlich die Gleichen geblieben.

Frage: Wie kommt es dazu, dass die Strukturen der Gesellschaft bis heute nicht funktionieren?

Die allgegenwärtige Korruption und die Politisierung der staatlichen Institutionen haben offensichtlich den Reformprozess verhindert. Für eine echte Reform hätte Rumänien eine ganze neue politische Klasse gebraucht. Bei uns sind die persönlichen Interessen mit der Politik und Wirtschaft so eng miteinander verflochten, dass es zu keinem Reformprozess kommen kann. Staatsgelder flossen ausschließlich an Mitglieder der politischen Seilschaften. Die Justitz ist völlig machtlos, wenigstens diese Situation unter Kontrolle zu halten.

Frage: Sehen Sie heute die Ereignisse vom Dezember 1989 mit anderen Augen als damals?

Ich sehe die Revolutionstage immer noch mit dem selben Enthusiasmus, den ich auch damals an den Barrikaden am Universitätsplatz hatte. Gleichzeitig blicke ich mit einem wehmütigen Gefühl in die Vergangenheit: Unser Traum, unsere Hoffnung von damals, dass wir ein „besseres Rumänien” bauen werden, konnte sich bisher wegen der Korruption einfach nicht erfüllen.

Frage: Häufig hört man hier in Rumänien den Satz, dass die „Revolution gestohlen worden sei”...

Vieles in diesen post-kommunistischen Jahren zeigte, dass die Ideale der Revolution über Bord geworfen worden sind. Die Revolution ist vom Volk nicht dafür gemacht worden, dass die gleichen Politiker der kommunistischen Strukturen, die neuen Eigentümer Rumäniens nach der Wende werden. Genau das ist aber damals geschehen und genau das hat auch dazu geführt, dass sich in Rumänien nur wenig verändert hat.

Frage: Sie waren der erste Premier Rumäniens nach der Wende. Gehörten Sie nicht dem selben Politikerkreis an, den sie jetzt kritisieren?

Wenn es derselbe Kreis gewesen wäre, dann wäre ich heute immer noch Premier.

Frage: Bislang haben Sie nur von den Schattenseiten der Jahre nach der Revolution gesprochen. Welche Erfolge dieser Zeitspanne konnten denn bisher verbucht werden?

Frage: Das erste, was wir damals erworben haben, war die Freiheit. Zu den Erfolgen dieser Jahre zählt auch die Privatisierung der stalinistischen Riesenbetriebe, die dem Staatsbudget allerdings große Geldverluste brachten.

Frage: Warum sind in Rumänien nach der Wende so wenig Auslandsinvestitionen gemacht worden?

Dass die Gesamtsumme der Auslandsinvestitionen nach der Wende nur 10,7 Milliarden Euro beträgt (zum Vergleich: in Ungarn rund 27,8 Milliarden Euro), hängt mit der Korruption der staatlichen Kontrollbehörden zusammen. „Şpaga” und „bacsis”, Bestechungsgelder sind hier an der Tagesordnung. Gott bewahre, dass Investoren jemals auf unsere Justiz angewiesen sind: Prozesse dauern entweder ewig oder gehen mit Falschaussagen zu Ende. Rumänien hat seinen Stempel und der heißt Korruption. Das bedeutet aber auch gleichzeitig, dass Investoren verjagt werden.

Frage: Hat sich ihrer Meinung nach in Rumäniens nach der Wende eher ein Rückgang oder ein Fortschritt vollzogen?

Als wir 2000 die Verhandlungen für den EU-Beitritt begonnen haben, hat man nicht an Rumänien gezweifelt. Doch jetzt nach vier Jahren, während viele staatliche Institutionen zum Anhängsel von persönlichen Interessen geworden sind, bezweifeln viele, dass Rumänien es bis 2007 schafft.
Ich fände es nur gut, wenn dies geschehen würde. Unter den heutigen Umständen, wo in unserem Land mafiaartige Zustände herrschen, kann nur der EU-Beitritt Rumänien gesund machen.


*** Ende ***



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