Serbien

Wie Kirk Douglas eine Cevapcici-Bude ruinierte

ostpol: Herr Stoimenov, nicht überall in den postjugoslawischen Staaten erinnert man sich gerne so öffentlich an die gemeinsame Vergangenheit. Wie ist die Idee entstanden, den Erscheinungen der jugoslawischen Pop-Kultur auf den Grund zu gehen?

Stoimenov: Die Idee dazu hatte ich in den USA, als ich zu Beginn dieses Jahrtausends zum Aufbaustudium in New York war. Dort habe ich viele Menschen aus Ex-Jugoslawien kennengelernt. Wir trafen uns immer wieder an den gleichen Orten, und bald stellten wir fest, dass uns die selben Themen verbinden. Diese drehten sich etwa um die bekannte jugoslawischen Rockgruppe Bijelo dugme, um Sport, Musik und andere gemeinsame Interessen. So entstand die Idee zu dieser Serie.

Wie haben Sie sich für eine Auswahl entschieden, was die bedeutendsten Phänomene im alten Jugoslawien waren?

Stoimenov: Ich habe mich jahrelang mit diesen Phänomenen beschätigt, die von lokaler, aber auch von globaler Bedeutung sind. Viele dieser Erscheinungen waren ohne Zweifel gut. Darunter sind Filme, die für den Oscar nominiert waren, wie etwa der spektakuläre Partisanenfilm „Die Schlacht an der Neretwa“. Fünf Partisanenfilme waren Oscar-nomiert, das ist der Beweis, dass dieses Gene weltweit anerkannt war. Die Neue Welle als prägende Musikrichtung, die 1984 in Sarajevo ausgetragene Winter-Olympiade, das alles ist eine Art „globales Kulturerbe“. Kunst und Kultur sind eben stärker als die Politik.

Welche Phänomene verbinden die Völker des ehemaligen Jugoslawien hauptsächlich?

Stoimenov: Das hängt von der Generation ab. Die Älteren verbindet Tito, die mittlere Generation eher die Rockgruppe Bijelo Dugme und die jüngeren die Musikströmung Neue Welle. Ich habe in meinen Filmen alles verarbeitet, was irgendwie wichtig war, auch mir persönlich.

Igor Stoimenov auf dem Filmfestival ZagrebDox 2010 (Foto: Pressestelle ZagrebDox)

Erinnert man sich, vor allem in Zeiten der aktuellen Wirtschaftskrise, eher ein wenig „jugonostalgisch“ an den alten Vielvölkerstaat?

Stoimenov: Wenn man in Deutschland über Wim Wenders spricht, bringt diesen auch niemand mit Nostalgie in Verbindung. Im ehemaligen Jugoslawien werden allerdings Musikrichtungen wie die Neue Welle der 1980er Jahre sofort in die Schublade der „Jugonostalgie“ gesteckt. Mir ging es vielmehr um Phänomene der Pop-Kultur, die ab den ausklingenden 1950er Jahren in ganz Jugoslawien aufkamen. Würde ich zur Jugonostalgie tendieren, hätte ich sicher nicht aufgedeckt, dass die Geschichtsschreibung manchmal auch ganz schön manipuliert wurde. Sicher gab es bei uns Zensur und Verhaftungen, aber auch Raum für andere Erscheinungen, die eben Dokumente der damaligen Zeit sind.


Igor Stoimenov, Jahrgang 1971, Regiestudium in Belgrad, Aufbaustudium in New York. Mehr als 100 Werbespots für lokale und globale Marken. Creative director politischer Kampagnen für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Serbien, Mazedonien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina. Mehrere Dokumentarfilme, u.a. „Fudbal, nogomet i još ponešto“ (Fußball und anderes, 2007), Partizanski film (Partisanenfilm, 2009) und Robna kuća (Warenhaus, 2009). Derzeit Verhandlungen mit dem serbischen Fernsehen über weitere Episoden für den Zyklus „Warenhaus“.


Wie wird ihre Serie über Phänomene der jugoslawischen Pop-Kultur in Serbien und den anderen postjugoslawischen Ländern aufgenommen? Ist die Zeit nach fast zwei Jahrzehnten reif für eine Aufarbeitung der gemeinsamen Vergangenheit?

Stoimenov: Bislang hatten wir in Serbien mehr als eine Million Zuschauer, es handelt sich dort um ein TV-Projekt. In Bosnien-Herzegowina haben uns eine halbe Million Menschen gesehen und in Mazedonien 300.000 Zuschauer. Nur in Kroatien wird die Serie nicht im Fernsehen gezeigt. Daran ist sicher auch das Establishment schuld. Manche Menschen in den neu formierten Staaten schämen sich für ihre Vergangenheit, vor allem in Kroatien habe ich manchmal das Gefühl. Es wird sicher noch eine gewisse Zeit vergehen, bis man damit umgehen kann.

Wollten Sie mit der Serie eine politische Botschaft senden?

Stoimenov: Meine Intention war rein künstlerischer Natur. Ich wollte zeigen, dass man die gemeinsame Pop-Kultur nicht einfach so zerstören kann. Was etwa den Partisanenfilm betrifft, so war dieser in den letzten zwei Jahrzehnten in Kroatien fast eine Art Tabu-Thema. Allerdings erzählt man sich auf Parties dennoch von diesen Filmen und dass dies passiert, kann man nicht verbieten. Genauso wenig konnte man im Sozialismus verbieten, dass die Leute zu Hause Weihnachten feiern, nur war das eben nicht offiziell. Kroatien erlaubt sich heute allerdings keine Pop-Kultur oder TV-Serien, die aus Serbien kommen. Man kann das jedoch nicht stoppen, denn so kommen diese Phänomene eben durch das Hintertürchen ins Land. Der Turbofolk als Musikrichtung beispielsweise, wird in Kroatien von allen heimlich gehört.

Trägt ihre Serie zur Aussöhnung zwischen den Völkern des ehemaligen Jugoslawien bei?

Stoimenov: Zank wird meist über die Medien serviert, Frieden ebenso. Das ist nicht mein Job. Ich will die Menschen zum Weinen bringen – oder auch nicht. Wer die Phänomene des alten Jugoslawien mag, der mag sie eben. Und wer sie hasst, der hasst sie. Ich kann die Menschen nicht ändern, sondern sie nur zum Lachen oder Weinen bringen.

Stimmt es, dass der Hollywood-Schauspieler Kirk Douglas dazu beigetragen hat, dass eine Ćevapčići-Bude in Sarajevo wegen ihm geschlossen wurde? Das wird in einer Ihrer Serien erzählt...

Stoimenov: Ja, das stimmt. Zumindest indirekt. Während der Olympischen Spiele in Sarajevo 1984 musste er in einer Imbissbude 100 US-Dollar für eine Portion Ćevapčići bezahlen und hat sich daraufhin beim Olympia-Komitee beschwert. Der Fall kam in die Medien und daraufhin ist einfach niemand mehr in die Ćevapčići-Bude gegangen. Sie musste schließen.


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